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Auszugehen ist von einer immer wieder neu zu stellenden Grundfrage: Was ist ‚Rezeption‘? Was läßt sich durch ihre Erforschung klären? Im Vorwort zu diesem gewichtigen Band stellt sein Herausgeber fest, daß der Begriff ‚Einfluß‘ in Mißkredit geraten sei; das trifft aber auch für ‚Rezeption‘ zu. Das liegt vor allem daran, daß diese Teildisziplin der Literaturwissenschaft zur Spielwiese für Positivisten erklärt wurde, die sonst eher im Bereich der Editionswissenschaft anzutreffen waren. Zwangsläufig entstanden Arbeiten, die nur noch untersuchten, was welcher Schriftsteller wann und wo gelesen hatte. Lesefrüchte, Exzerpte, Lektürenotizen hielt man für wichtiger als die Deutung des Werkes selbst, in welches das ‚Rezipierte‘ eingegangen ist.

Daß die philologisch orientierte, klassische Germanistik in letzter Zeit introspektiver geworden ist, sich kritisch ihrer eigenen Geschichte wieder und wieder versichert, hat vielerlei Gründe. Zwei seien genannt: Zum einen ihr kompromittierendes Verhältnis zum Nationalsozialismus, zum anderen ihre Legitimationskrise im Zeitalter der Cultural Studies. Nun bedeutet die Tatsache, daß die Germanistik ihre Geschichte entdeckt hat, keineswegs, daß sie sich selbst geschichtlich und damit zukunftsarm geworden sei. Denn nur eine Disziplin, die sich ihrer Vergangenheit bewußt ist, kann sich glaubwürdig weiterentwickeln. Unbestritten ist freilich auch, daß sich die traditionelle Germanistik fragen muß, wo sie im Kontext der Cultural Studies steht, wobei die Cultural Studies ihrerseits ihre philologischen Grundlagen und ideengeschichtliche Verankerung nicht vernachlässigen dürfen. Sonst wird aus ihnen eine Versammlung von intellektuellen Wellenreitern, die keine Modethemenwoge auslassen.