1. Retrospektive Analyse des kontinuierlichen Anstiegs an Notarzteinsätzen am Standort Ulm: Ein Vergleich der Einsatzjahre 2012 und 2016
- Author
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Fuchs, Viola, Muth, Claus-Martin, and Schönfeldt-Lecuona, Carlos
- Subjects
Notärztliche Einsatzdiagnosen ,Notärztliche Einsatzinzidenz ,Notfallmedizinische Versorgung ,Notfall ,Fallzahlanstieg ,Medizinische Versorgung ,Notfallmedizin ,Emergency medicine ,ddc:610 ,Emergencies ,Emergency treatment ,DDC 610 / Medicine & health - Abstract
In der vorliegenden Studie wurden die Notarzteinsatzprotokolle (NADOKlive® der Firma Datapec) des Einzugsgebietes Ulm (notfallmedizinisches Versorgungsgebiet Ulm inklusive der 55 Nachbargemeinden des Alb-Donau-Kreises) der beiden Jahre 2012 und 2016 ausgewertet. Folgende Protokollangaben wurden in die retrospektive Analyse eingeschlossen: das Einsatzjahr (2012/2016), die Alarmuhrzeit, die Tageszeit und der Wochentag des Einsatzes. Herangezogene patientenbezügliche Angaben waren das Alter sowie das Geschlecht. Auch der notärztlich eingeschätzte National Advisory Committee for Aeronautics Score (NACA-Score, Klassifikation des Patienten in eine von sieben Verletzungsstufen), die präklinische Verdachtsdiagnose, das betroffene Organsystem und Fehleinsätze wurden ausgezählt. Ziel war es anhand der genannten Protokollvariablen die Einsatzhäufigkeit, die Verteilung der Notarzteinsätze (zeitlich und patientenbezogen) und die Einsatzindikationen zu untersuchen. Ebenso wurde der Frage nachgegangen, ob innerhalb der genannten Beobachtungsjahre wesentliche Änderungen diesbezüglich festgestellt werden konnten. Insgesamt wurden 10845 Protokolle in die Analyse eingeschlossen, davon lagen 5009 für das Jahr 2012 und 5836 für das Jahr 2016 vor. Im Jahr 2016 wurde eine wesentlich gesteigerte Anzahl an Notfallpatienten (Steigerung um 16,51 % gegenüber dem Jahr 2012 festgestellt. Die Zahl der Fehleinsätze machte in beiden Jahrgängen nur einen prozentualen Anteil von ca. 2 % aus. Die Notfallpatienten wiesen insgesamt einen hohen Altersdurchschnitt mit 67 Jahren auf. Anhand dieser Ergebnisse konnte eine gesteigerte Notarztinzidenz (mit insgesamt wenig Fehleinsätzen) bei einem alternden Patientenkollektiv geschlussfolgert werden. Vor allem die Lunge wurde als Auslöser für einen Notarzteinsatz registriert. Neurologische und traumatische Notfälle machten in beiden Jahren einen weitaus geringeren Anteil aus. Schlaganfall-Patienten wurden im Jahr 2016 sogar signifikant weniger (-90,51 %) als im Jahr 2012 notiert. Eine verbesserte gesellschaftliche (symptombezogene) Aufklärung und die damit verbundene schnellere, notfallmedizinische Versorgung könnte hierfür eine mögliche Begründung sein. Besonders auffällig war, dass die weniger akut lebensbedrohlichen Notfälle (NACA-Score 1-3) im Jahr 2016 gegenüber dem Jahr 2012 erhöht vorlagen. Patienten unter akuter Gefährdung (ab NACA-Score 4) wurden hingegen seltener dokumentiert. Dies erweckte die Vermutung, dass eine wesentliche Notarztindikation häufig nicht gegeben war: Patienten alarmieren den Notarzt bereits bei nicht dringendem Bedarf. Das akute Koronarsyndrom (ACS) wurde in beiden Jahren allerdings als häufige Verdachtsdiagnose ausgezählt. Für diese sehr gefährliche Notfallsituation kann eine schnelle Versorgung prognostisch entscheidend sein. Begünstigende Risikofaktoren wie Alkohol, Tabak, Übergewicht oder Stress sollten vermieden werden. Die festgestellte signifikante Minderung des ACS im Jahr 2016 gegenüber dem Jahr 2012 lässt eine fortschreitende, bewusstere Lebensweise der Gesellschaft vermuten. Eine erhöhte Anzahl an Alarmierungen wurde in beiden Jahren gegen Mittag (10-14 Uhr) sowie um die nächtliche Uhrzeit (22-6 Uhr) festgestellt. Desweiteren lag eine Häufung zum Wochenende hin vor (vor allem am Freitag). Vermutungen hierfür könnte das beruflich bedingte Verkehrsaufkommen, die Angst der bevorstehenden Nacht oder häufig geschlossenen Arztpraxen an den Wochenenden/am Mittwoch sein. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine wesentlich erhöhte Anzahl an Notarzteinsätzen im Versorgungsgebiet Ulm, betrachtet an den Jahrgängen 2012 und 2016, vorlag. Der Notarzt rückte oftmals zu geringer gefährdeten Patienten aus. Da die Zahl der lebensbedrohlichen Situationen (besonders das ACS) dennoch beachtlich hoch vorlag, muss die Wichtigkeit des notfallmedizinischen Versorgungssystems und der gesellschaftlichen Aufklärung fokussiert werden.
- Published
- 2021
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