This work compares two types of biomedical ethics: the ethical theory of Tom L. Beauchamp and James F. Childress (principlism) and the ethical theory of Susan Sherwin (feminist ethics). Both theories are evaluated in terms of their practical orientation and context sensitivity regarding the ethical conflict of the legalisation of preimplantation genetic diagnosis (PGD) in Germany., Durch die Entwicklung neuer technischer Möglichkeiten im Bereich der Medizin haben sich mit den Behandlungsoptionen auch die ethischen Konflikte vervielfacht. Die biomedizinische Ethik als wissenschaftliche Disziplin stellt Instrumentarien bereit, die zum Verständnis und zur Lösung dieser ethischen Konflikte beitragen. In dieser Arbeit werden zwei aktuelle Modelle biomedizinethischer Theoriebildung vergleichend dargestellt, der prinzipienethische Ansatz von Tom L. Beauchamp und James F. Childress und der feministischen Ansatz von Susan Sherwin. Die praktische Anwendbarkeit und Lösungsorientierung der Ansätze wird anhand des ethischen Konfliktes um die Legalisierung der Präimplantationsdiagnostik (genetische Diagnostik an einem Embryo in vitro) in Deutschland untersucht. Beauchamp und Childress bauen ihre ethische Theoriebildung auf vier gleichwertigen Prinzipien mittlerer Reichweite auf: dem Prinzip des Respekts vor Autonomie, des Nichtschadens, des Wohltuns und der Gerechtigkeit. Die Prinzipien sind prima facie gültig, d.h. ihre unbedingte Gültigkeit kann nur aufgehoben werden, wenn sie in Konflikt mit anderen Verpflichtungen geraten und nicht vorrangig sind. Sie gründen in der common morality und bilden eine Gruppe selbstevidenter Normen, die von allen moralisch seriös denkenden Menschen zu allen Zeiten und an allen Orten geteilt werden können. Sherwin orientiert ihre ethische Theoriebildung an einer zentralen ethischen Perspektive, der Befreiung von struktureller Unterdrückung, die sie mit ihrer Gesellschaftsanalyse begründet. Sherwin erkennt andere, aus der common morality entlehnte Prinzipien und Normen an. Diese besitzen für sie keine universelle Gültigkeit, sondern sind von ihrem historischen und sozialen Kontext abhängig und müssen im Hinblick auf ihre Verflechtung mit Strukturen der Dominanz und Unterdrückung revidiert werden. Die Spezifizierung (die inhaltliche Konkretisierung der Prinipien für einen ethischen Konflikt) des Prinzips des Respekts vor Autonomie von Beauchamp und Childress ergibt, dass dem Wunsch von Paaren nach Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik (PGD) entsprochen werden kann. Vorauszusetzen ist ein grundlegendes Verständnis hinsichtlich der Methoden, Risiken, Erfolgsaussichten und Alternativen der PGD und die Freiheit von kontrollierenden Einflüssen. Je nach Definition des Status des Embryos widersprechen Selektion und Verwerfen den Schutzrechten von Embryonen und somit prima facie dem Prinzip des Nichtschadens. Unter dem Gesichtspunkt des Prinzips des Wohltuns müssen Nutzen (Erfüllung des Kinderwunsches) gegen Kostenintensität und niedrige Erfolgerate der PGD und den Risiken der IVF und ICSI abgewogen werden. Unter Berücksichtigung der von Beauchamp/Childress angestrebten Erarbeitung von konsensfähigen, pragmatischen Lösungen tritt in der Abwägung (der relativen Gewichtung konkurrierender Prinzipien) aufgrund des eingeschränkten Personenstatus der Embryonen das Prinzip des Nichtschadens hinter das Prinzip der Autonomie zurück. Die eingeschränkte Legalisierung der PGD in Deutschland erscheint ethisch gerechtfertigt. In ihrer kontextuellen Analyse orientiert sich Sherwin nicht an Einzelfällen, sondern primär an den gesellschaftlichen Konsequenzen von Handlungen und Entscheidungen für Personengruppen. Die Legalisierung der PGD würde die Erweiterung der reproduktiven Optionen einzelner Frauen bedeuten. Für Frauen als Gruppe vermutet Sherwin jedoch die Verstärkung bestehender Dominanz- und Unterdrückungsstrukturen, indem der Einfluss von Experten auf das reproduktive Verhalten von Frauen stiege und bestehende Rollenmuster verfestigt würden. Für Menschen mit Behinderungen seien gesellschaftliche Entsolidarisierung und Zunahme des Drucks zur Verhinderung der Geburt behinderter Kinder zu befürchten. Unter dem Gesichtspunkt der Fürsorge äußert Sherwin Mitgefühl für Frauen, die ein erhöhtes Vererbungsrisiko haben und unter ihrer ungewollten Kinderlosigkeit leiden und plädiert dafür, deren verantwortliche Entscheidung für eine PGD zu unterstützen. In der Abwägung zwischen strukturellen und Fürsorgegesichtspunkten gibt Sherwin letzteren den Vorrang und befürwortet insgesamt die Einführung der PGD. Gesellschaftspolitische Forderungen zum Abbau von Dominanz- und Unterdrückungsstrukturen stellen jedoch die notwendige Voraussetzung für deren Legalisierung dar. In der ethischen Analyse der PGD erweisen sich die Prinzipienethik von Beauchamp/Childress und die feministische Ethik von Sherwin als anwendbar und kontextsensitiv. Trotz unterschiedlicher Argumentationsstrukturen ist im Sinne beider Ansätze die Legalisierung der PGD in Deutschland unter - differienden - einschränkenden Bedingungen zu befürworten.