In seiner 2004 eingereichten Dissertation folgt Ulf Vierke der Spur der Glasperlen von ihren europäischen Produktionsorten im oberfränkischen Fichtelgebirge und im böhmischen Isergebirge bis hin zu den Maasai in Ostafrika. Eine Route, die die Glasperlen sogar – jetzt zu Souvenirs verarbeitet – wieder nach Europa zurückführt. Es sind aber keineswegs die Glasperlen selbst, die im Zentrum der Untersuchung stehen, sondern vielmehr die Akteure, die mit diesen umgehen: die Perlenmacher in handwerklichen Betrieben etwa im Fichtelgebirge, die Arbeiter in den grossen Perlenindustrien Böhmens, die Händler in Europa, Indien und Afrika, die Frauen, die in Ostafrika Perlen zu Schmuck verarbeiten, und diejenigen, die letztlich diesen Schmuck tragen. Der Focus der Arbeit liegt auf dem Handeln der Menschen und auf der Vitalität gegenwärtiger Prozesse. Aneignung und Übereignung sind zentrale Begriffe, wenn es um die Interaktionen innerhalb der Vernetzung des globalen Warenaustausches geht. In Prozessen Aneignung, denen bisher das Hauptaugenmerk der Ethnologischen Forschung gilt, ist der Konsument Hauptakteur und dem Händler oder anderen Bringern kommt lediglich eine Hilfsrolle zu. Der Autor wendet die Perspektive und betont gerade die Prozesse der Entäusserung, des Vermittelns, des Werbens, die auf Seiten der Händler und Mittler untersucht werden müssen. Analog zur Aneignung führt er das Konzept der Übereignung ein. Sie umfasst den tatsächlichen Austausch, also den Übergang der Ware von einem Besitzer zu einem neuen, ebenso wie die kulturelle Interpretation und Umdeutung, die gerade zu das bestimmende Element der Handlungen eines Händlers ist. Der Händler ist in diesem Sinn mehr noch als ein Übersetzer, er ist cultural broker. Angeregt durch Sidney Mintzs klassische Studie aus dem Jahr 1985 “Sweetness and Power” bezieht der Autor seine Analyse nicht nur auf eine ethnologische Mikroperspektive sondern bezieht sich ebenso auf Prozesse und Strukturen globaler Integration. Indem er dies tut, eröffnet er auch einen facettenreichen Blick auf die historischen Hintergründe der Produktion, Distribution und Konsumption. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf dem 16. bis 20. Jahrhundert. Analog zum weit gespannten Gegenstandsbereich kann der Autor auf ein breites methodologisches Instrumentarium rekurrieren, das von Teilneh-mender Beobachtung über Archiv-, Bibliotheks- und Museumsrecherchen bis hin zu Methoden aus der aktuellen Multi-Sited-Ethnography reicht.