Evidenzbasierte Medizin (EbM) versteht sich als Disziplin, die zwischen der klinischen Forschung und der Gesundheitsversorgung eine Brücke schlägt. Die vorliegende Habilitationsschrift behandelt in 4 Einzelprojekten das Thema "Die klinische Epidemiologie in der ärztlichen Entscheidungsfindung". In dem ersten Projekt "Beobachtung oder Experiment" haben wir nachgewiesen, dass die Randomisierung für den Wirksamkeitsnachweis klinischer Interventionen unverzichtbar ist, um eine möglichst unverzerrte Effektmessung sicherzustellen. Die Studienpopulation waren systematische Übersichtsarbeiten, die randomisierte und nicht-randomisierte Studien zu einem breiten Spektrum an Interventionen aus dem Gesundheitsbereich einschlossen und mehr als 3000 Primärstudien umfassten. In der Auswertung konnten wir zeigen, dass - verglichen mit einer randomisierten Patientenzuordnung - bei einer nicht-randomisierten Patientenzuordnung in Studien der Effekt der Intervention häufig überschätzt wird, aber auch unterschätzt oder sogar invers geschätzt werden kann. Allerdings ist es auch möglich, dass vergleichbare Effekte beobachtet werden. Aufgrund der grossen Gefahr für Effektverzerrung in nicht vorhersagbarer Richtung ist die Randomisierung bei Interventionsstudien absolut erforderlich, um Gruppen mit vergleichbaren Ausgangskriterien zu generieren und damit eine möglichst biasfreie Effektschätzung sicherzustellen. In dem zweiten Projekt haben wir in einer Simulationsstudie demonstriert, wie es durch systematische Fehler in der Durchführung klinischer Studien zu klinischen Fehlentscheidungen kommen kann. Mit Hilfe klinischer Daten von Intensivpatienten, unterschiedlichen Annahmen über das Ausgangsrisiko für gastrointestinale Blutungen und der relativen Risikoreduktion für gastrointestinale Blutung durch H2-Blocker wurden typische Risikokonstellationen identifiziert: Klinische Situationen mit einem moderaten bis niedrigen Patienten-Grundrisiko und moderater bis geringer Wirksamkeit der medizinischen Maßnahme waren für Fehlentscheidungen infolge verzerrter Studienergebnisse besonders anfällig. Diese Konstellation kommt in der Patientenversorgung häufig vor, wodurch die Erkenntnisse unserer Studie einen ganz konkreten Praxisbezug erhalten. In dem dritten Projekt, einer klinischen Studie über die Wirksamkeit von ärztlichen Fortbildungen in evidenzbasierter Medizin ("Berliner EbM-Studie"), haben wir auf der Grundlage des Berliner Gegenstandskatalogs EbM ein Instrument (2 Fragebögen à 15 Fragen) entwickelt und validiert, mit dem man zuverlässig und reproduzierbar zwischen unterschiedlichen Kenntnissen und Fertigkeiten von EbM differenzieren kann. In einer dreijährigen Studie konnten wir nachweisen, dass durch kurze intensive Kurse in evidenzbasierter Medizin (wie z.B. den Berliner EbM-Kursen) bei den 203 Teilnehmern ein statistisch signifikanter und klinisch relevanter Wissenszuwachs erzielt werden kann (vor dem Kurs 6,3 + 2,9, nach dem Kurs 9,9 + 2,4 richtige Antworten; p< 0.001). Im vierten Projekt ging es um die Implementierung der evidenzbasierten Medizin in die tägliche Praxis von Hausärzten. In einer clusterrandomisierten Studie unter Hausärzten hatten wir untersucht, ob man durch kurze, evidenzbasierte Erläuterungen zu im Krankenhaus neu angesetzten Behandlungen, die im Entlassungsbrief beigefügt werden, Hausärzte motivieren kann, diese Behandlung fortzusetzen. 178 Praxen nahmen an der Studie teil. Dabei wurden 417 Entlassungsbriefe mit insgesamt 59 unterschiedlichen evidenzbasierten Medikamentenempfehlungen versandt und nach 3-4 Monaten 268 Interviews erfolgreich durchgeführt. Ärzte in der Interventionsgruppe hatten eine statistisch signifikant geringere Wahrscheinlichkeit, von den Krankenhausempfehlungen abzuweichen als Ärzte in der Kontrollgruppe, die nur den üblichen Entlassungsbrief enthielten (absolute Risikoreduktion 12,5%; p=0.039). Die Ärzte waren über die zusätzliche Information sehr zufrieden, auch wenn diese Information i.a. keine neuen Erkenntnisse lieferte, vielmehr den gegenwärtigen Kenntnisstand der Ärzte bestätigte. Kurze evidenzbasierte Medikamenteninformationen können das rationale Verschreibungsverhalten von Hausärzten positiv beeinflussen., Evidence-based medicine (ebm) can be described as the discipline bridging research and health care. This thesis covers 4 individual projects on the role of clinical epidemiology / evidence-based medicine in rational clinical decision-making. The first study "Observation or Experiment" addressed the methodological issue of the impact of observational studies versus randomised allocation to any intervention on the estimated effect of the intervention. The study population were systematic reviews including randomised and non-randomised studies on a broad spectrum of interventions and comprising more than 3000 primary studies. In the empirical assessment, we could demonstrate that lack of randomisation tended to exaggerate the estimated effect of the intervention, but could also result in underestimation of the effect, in similar effect sizes or even in inverse effects. Therefore randomisation is mandatory in intervention studies to generate comparable baseline groups and thereby ensure an unbiased assessment of the underlying treatment effect. The second project was a simulation study investigating the impact of bias on clinical decision-making. Based on empirical data from ITU-patients, various assumptions on baseline risks of gastrointestinal bleeding and an estimate of the relative risk reduction for bleeding by H2-antagonists from a recent meta-analysis we investigated the potential for erroneous clinical decisions induced by systematic errors in the performance of clinical trials. We could demonstrate that certain clinical situations are particularly susceptible for errors in decision-making, in particular, if a patient’s baseline risk for an adverse event or the effectiveness of the intervention is only moderate or small. As low baseline risk and / or moderate treatment effects tend to occur frequently in physician-patient-encounters, physicians need to be aware of the increased risk for errors and pay meticulous attention on a reliable evidence base. The third project was a clinical trial on the effectiveness of teaching evidence-based medicine to physicians. The trial comprises two phases: Instrument development and performance of the trial. Starting from a comprehensive curriculum of evidence-based-medicine we identified relevant core items of ebm. Based on this curriculum we developed and validated a before-after instrument with 15 questions each that was able to distinguish varying degrees of knowledge and skills of ebm. Over a period of 3 years, the instrument was randomly administered to 203 participants in consecutive ebm-courses. Prior to the course, the participants scored a mean of 6,3 + 2,9, after the course the number of correct answers increased to 9,9 + 2,4 (p< 0.001). The scores of ebm-experts or ebm-naïve controls was significantly higher resp. lower. Thereby we could demonstrate that short intensive courses in evidence-based medicine (such as the Berlin courses) can lead to a significant and clinically meaningful increase in knowledge and skills. The forth project focussed on the implementation of evidence-based medicine in the day-to-day practice of family doctors. In a cluster-randomised study we investigated whether short evidence-based drug information in hospital discharge letters can influence the prescribing behaviour of general practitioners. 178 practices participated in the study, 417 discharge letters with 59 different evidence-based drug information were sent out and 268 interviews were successfully performed after an interval of 3 - 4 months. Physicians in the intervention group were statistically less likely to depart from the hospital recommendations than physicians in the control group who only received a regular discharge letter group (absolute risk reduction 12,5%; p=0.039). Furthermore, physicians were very satisfied with this additional piece of information, which tended to assure their own knowledge and reminded them to apply it in this individual patient (rather than providing new information). It was concluded that short evidence-based information in discharge letters could have a positive impact on a rational prescribing behaviour of physicians.