Die öffentliche Versorgung der Bevölkerung durch Großküchen gewann im Verlauf des Ersten Weltkrieges an Bedeutung und blieb während der Nachkriegsjahre eine notwendige Maßnahme zur Linderung der Not in den Großstädten. Die vorliegende Dissertation untersucht anhand der Metropolen Wien und Berlin, ob die kriegsbedingte Massenverpflegung eine nachhaltige Veränderung der Ernährungsgewohnheiten in der Bevölkerung herbeiführte. Auf diese Frage liefern die beiden Hauptstädte auf dem ersten Blick unterschiedliche Antworten. Während für die Wiener Kriegsküchen sowohl wachsende Besucherzahlen als auch der Fortbestand der Küchen über den Krieg hinaus festzustellen sind, wurden die Berliner Großküchen von der Bevölkerung zunehmend abgelehnt und als „Notbehelf der Kriegszeit“ zurückgewiesen. Die Studie sucht nach den Ursachen für diese unterschiedliche Entwicklung und geht davon aus, dass hierbei nicht nur die sehr viel stärker vorherrschende Not in Wien, sondern auch mehrere sich gegenseitig überlagernde organisatorisch-administrative, soziokulturelle und (sozial-)politische Faktoren eine Rolle spielten. Im Mittelpunkt der Vergleichsanalyse stehen die kommunalen Kriegsverwaltungen als Organisatoren der städtischen Küchensysteme und die mehrheitlich aus Arbeiterschaft und Mittelstand bestehende Stadtbevölkerung als Empfänger der Verpflegungsangebote. Einen weiteren Analyseschwerpunkt bilden die im starken Maße von der Sozialdemokratie beherrschten sozialpolitischen Entwicklungen ab November 1918. An die öffentliche Verpflegung seit dem späten 19. Jahrhundert anknüpfend nimmt die Studie die Entwicklung der Massenverpflegungsaktivitäten beider Metropolen im Verlauf des Krieges in den Blick und kommt zu dem Ergebnis, dass sich das Wiener Kriegsküchenwesen im Gegensatz zur Berliner Volksspeisungsorganisation durch ein hohes Maß an kommunaler Eigenständigkeit, Entschlossenheit, Anpassungsfähigkeit und Kontinuität auszeichnete – allesamt Faktoren, die eine höhere Inanspruchnahme der Küchen begünstigten. Die vergleichsweise „effiziente“ Entwicklung der Wiener Massenversorgung wirkte sich nachhaltig auf das Verpflegungswesen der Nachkriegszeit aus. Die Sozialdemokraten, die in beiden Städten die politische Verantwortung übernahmen, betrachteten die öffentliche Massenverpflegung im Sinne des Social Engineering als ein zweckdienliches Instrument, mit dem die sozialdemokratische Rationalisierungspolitik unterstützt werden konnte. Dementsprechend betrieben die Verantwortlichen in Wien und Berlin einen großen Aufwand, um der kommunalen Massenverpflegung eine Zukunftsperspektive zu geben. Doch nur in Wien gelang es den Sozialdemokraten, die Stadtküchen zu erhalten und in ein modernes Verpflegungsunternehmen zu verwandeln. Die Studie ermittelt eine Reihe von Faktoren, die diese Entwicklung begünstigten und zeigt hierbei auf, dass die Wiener Entwicklung mit Blick auf die „moderne“ Berliner Speisehauskultur der Vorkriegszeit dennoch keine Innovation war. Schließlich kommt die Studie zu dem Ergebnis, der Erste Weltkrieg auf dem Gebiet der kollektiven Außerhausverpflegung keinen grundlegenden Wandel der Ernährungsgewohnheiten bewirkte. Angesichts der kommunalen Reformbestreben der 1920er Jahre trug er dennoch dazu bei, dass die Kollektivverpflegung einen festen Platz in der kommunalen Daseinsvorsorge einnahm., To properly care for the population, public kitchens gained in importance during the First World War. They continued to be a necessary measure to alleviate the hardship in the major cities during the post-war years. Based on the metropolises of Vienna and Berlin, this dissertation examines whether the wartime public kitchens led to a lasting change in the eating habits among the population. At first glance, the two capitals provide different answers to this question. While in Vienna, the war kitchens increased in demand and continued to exist after the war, Berlin’s population on the other hand increasingly refused to make use of the public meal halls and rejected them as a “stopgap solution”. This study looks for reasons for this different development and assumes that not only the much more prevalent hardship in Vienna, but also several overlapping organizational-administrative, socio-cultural and (socio-)political factors played a role. The comparative analysis focuses on the municipal wartime administrations as the organizers of the municipal kitchen systems as well as the urban population, consisting mainly of the working- and middle-classes, as recipients of the offered meals. Another focus of the analysis is on the sociopolitical developments from November 1918 onward, which were strongly dominated by social democracy. Building on public feeding since the late 19th century, the study looks at the development of public kitchen activities in both metropolises during the course of war and concludes, that in contrast to the organization of the Volksspeisung in Berlin, the war kitchen organization in Vienna was characterized by a high degree of communal autonomy, determination, adaptability, and continuity – all of them factors that favored a higher utilization of the kitchens. The comparatively “efficient” development of public feeding in Vienna had a lasting effect on the municipal catering in the postwar period. The Social Democrats, who took on political responsibility in both cities regarded public feeding, in terms of social engineering, as a useful instrument with which social democratic rationalization policies could be supported. Accordingly, those responsible in Vienna and Berlin made a great effort to give public feeding a viable future. Nevertheless, only in Vienna did the Social Democrats managed to preserve the municipal kitchens and transform them into a modern kitchen company. The study identifies several factors that favored this development, while pointing out that the development in Vienna was not an innovation compared to the "modern" food culture of pre-war Berlin. Finally, the study concludes, public feeding in the First World War did not bring about a fundamental change in eating habits. Considering the municipal reform efforts of the 1920s, the war nonetheless contributed to the establishment of community catering as a permanent feature of municipal public services.