Im vorliegenden Beitrag beschäftigen wir uns mit der Frage, welche Bedeutung Erziehungskrisen für die familiale Lebenspraxis besitzen. Wir nutzen konkrete Krisensituationen in Familien, um Rückschlüsse auf die familiale Erziehungspraxis zu ziehen. Einleitend unterscheiden wir zwischen einer Krise der Erziehung und Krisen in der Erziehung. Anschließend zeigt ein Blick auf den Forschungsstand zur Familienerziehung, dass Erziehungskrisen, auch wenn der Zusammenhang von Familienalltag und -erziehung empirisch untersucht wird, bislang keinen Eingang in die Erziehungsforschung gefunden haben. Methodologisch stehen unsere Überlegungen im Zusammenhang zur Objektiven Hermeneutik, mit der wir den ‚pathologischen' Charakter von Krisen kritisch reflektieren und entsprechend des familialen Beziehungs- und Handlungssystems kontextualisieren. Empirisch widmet sich der Beitrag der Textinterpretation eines Interviewprotokolls mit einer Jugendlichen, die sich, so unsere Deutung, aufgrund einer Erziehungskrise an eine Schutzeinrichtung der Kinder- und Jugendhilfe wendet. Vor dem Hintergrund ihres öffentlich kommunizierten Schutzbedürfnisses kann von einer durchlebten Krise im familialen Beziehungs und Handlungssystem ausgegangen werden, deren Bedeutung wir auf der Grundlage des Interviewprotokolls mit der Heranwachsenden im Nachgang ihrer Selbstmeldung sequenzanalytisch erschließen. [ABSTRACT FROM AUTHOR]