Das MTS-Typ 1 ist als phanotypische Variante des autosomal-dominanten hereditaren nonpolyposen kolorektalen Karzinoms (HNPCC, Lynch-Syndrom) selten. Die Manifestationswahrscheinlichkeit in Familien mit HNPCC-Syndrom betragt ca. 28 % [3]. Dies ist nicht nur von Bedeutung fur den Indexpatienten, sondern insbesondere auch fur genetisch Verwandte. Diagnose: Muir-Torre-Syndrom Die Erstbeschreibung des MTS erfolgte 1967 durch Muir und Torre 1968. In der Literatur sind einige hundert Falle beschrieben. Der Erkrankungsgipfel bei MTS wird mit einem durchschnittlichen Alter von 53 Jahren angegeben [2]. Als dermatologische Markerlasionen gelten multiple Keratoakanthome, Basalzellkarzinome mit Talgdrusendifferenzierung, multiple benigne und maligne Talgdrusentumoren, wie das Talgdrusenadenom, Talgdrusenepitheliom (Sebazeom) und das Talgdrusenkarzinom. Von der Lokalisation ist vornehmlich der orofaziale Bereich betroffen. Seitens der Lokalisationen wird diskutiert, auch die extrafazialen Lokalisationen in die Liste der Markerlasionen fur ein MTS aufzunehmen [1, 3]. Zu einem MTS gehort das Auftreten von Zweitkarzinomen. Mit absteigender Haufigkeit sind dies bosartige gastrointestinale, urogenitale, zerebrale und/oder myeloproliferative Tumoren. Der Manifestationszeitpunkt der Hauttumoren in Bezug zu der Diagnosestellung der „inneren Malignome“ ist unterschiedlich. Ergebnisse einer Untersuchung ergaben, dass sich die Hauttumoren zu 22 % vorher, zu 6 % zeitgleich und zu 56 % spater manifestierten [1]. Die 12-Jahres-Uberlebenszeit bei MTS wird mit durchschnittlich 50 % berichtet. 60 % der Patienten entwickeln im Verlauf Metastasen [3]. Als Ursache fur ein MTS werden heterozygote Keimbahnmutationen in Kombination mit einer somatischen Mutation des zweiten Allels des betreffenden Mismatch-Reparaturgens (MMR) angenommen. In 85 % erfolgen die Mutationen in den hMSH2-Genen, auf dem kurzen Arm des Chromosoms 2, zu 11 % in den hMSH1-Genen, lokalisiert auf dem kurzen Arm des Chromosoms 3. Als Konsequenz bleibt die „Reparatur“ fehlerhaft kodierter Basenpaare aus. Mit jeder Zellteilung steigt die Zahl nicht eliminierter somatischer Mutationen, man spricht von genetischer Instabilitat. Charakteristisch fur das MTS Typ 1 ist ein „MSI-high“. Der Nachweis wird mit PCR am Tumorgewebe und durch Mutationsanalyse im Blut gefuhrt. Im Gegensatz besteht bei dem MTS Typ 2 keine MSI, sondern eine MYH1-Inaktivierung [3]. Diagnostische Kriterien fur das HNPCC-Syndrom sind die Amsterdam-Kriterien (alle Kriterien mussen erfullt sein) und die Bethesda-Kriterien (ein positives Kriterium reicht aus; [1, 4, 5]). In dem berichteten Fall erfullte der Patient 2 der Bethesda-Kriterien. Damit bestand der Verdacht auf ein HNPCC-Syndrom. Hinweisend auf das MTS Typ 1 war der Nachweis von „MSI-high“ und der Expressionsverlust fur die Mismatch-Reparaturenzyme hMSH2/hMSH6 in den kolorektalen Karzinomen und dem Talgdrusenkarzinom. John et al. publizierten einen Algorithmus zu der Vereinfachung der Diagnosestellung eines MTS [3]. Hier wird nicht zwischen MTS Typ 1 und 2 unterschieden (Tab. 2). Mit Bezug auf den Fallbericht waren die Befundkriterien der Gruppe A und B erfullt. Somit war nach John et al. die Verdachtsdiagnose eines MTS zu stellen. Tab. 2 Modifizierte Kriterien fur die Diagnosestellung eines MTS. Es muss ein Kriterium aus der Gruppe A und B oder alle 3 Kriterien aus Gruppe C erfullt sein. (Mod. aus [3]) Gruppe Gruppe A Sebazoides Adenom Sebazoides Epitheliom Sebazoides Karzinom Sebokerathoakanthom Immunhistochemischer Expressionsverlust des Tumorgewebes fur die Mismatch-Reparaturenzyme MSI+ Gruppe B Viszerales Malignom Kolorektales Karzinom mit MSI Gruppe C Multiple Keratoakanthome Multiple viszerale Karzinome Familienanamnese mit MTS Resultate genetischer Diagnostik 1. Positiv: Vorhandensein pathogener Mutation 2. Negativ: keine pathogene Mutation vorhanden, Mutation jedoch nicht ausgeschlossen, Malignom in der Vorgeschichte, positive Familienanamnese fur Tumorerkrankungen 3. Unklar: Mutationsvariante mit unklarer Bedeutung MSI Mikrosatelliteninstabilitat, MTS Muir-Torre Syndrom In dem beschriebenen Fall konnte der Erbgang aufgrund der nicht bis ins Detail geklarten Familienanamnese (Eltern †, Groseltern †) und fehlender molekulargenetischer Mutationsidentifikation mit Blutuntersuchung, bei Ablehnungshaltung seitens des Indexpatienten, nur eingeschrankt geklart werden. Neben der allgemeinen onkochirurgischen Therapie existiert keine kausale Behandlung fur das MTS. Bei Anlagetragern mit Hauttumoren wird nach chirurgischer Tumortherapie, eine Prophylaxe mit systemischer Anwendung von Retinoiden versucht. Bei Indexpatienten steht die weiterfuhrende molekulargenetische Abklarung mit Mutationsidentifikation, bei genetisch Verwandten die Vorsorge, mit definierten Empfehlungen im Vordergrund. In den jeweiligen S3-Leitlinien festgelegte alimentare, pharmakologische und diagnostische Masnahmen bieten fur Betroffene und deren Familien Moglichkeiten der Pravention an [1].