Oertel, Robert, Nippold, Ronald, Dütsch, Nikolas, Overbeck, Matthias, Rügamer, Alexander, Schuster, Jürgen, Weigel, Ronald, and Waelkens, Andre
Die Steuerung von Lichtsignalanlagen (LSA) hat einen wichtigen Einfluss auf die Qualität, die Sicherheit und die Umweltverträglichkeit des Verkehrsablaufs in städtischen Straßennetzen. Zu diesem Zweck kommen verschiedene Steuerungsansätze [1], [2] und Systeme zur Anwendung, die z.B. auch die Bevorrechtigung der Sondereinsatzfahrzeuge (SEF) von Polizei und Feuerwehr an Lichtsignalanlagen unterstützen sollen. Ziel dieser Systeme ist es, die Einsatzkräfte möglichst schnell (Einhaltung von Hilfsfristen) und sicher (keine Überfahrt roter Signale) an ihren Einsatzort zu bringen. Dabei weisen diese Systeme bisher allerdings noch einige Nachteile auf. So ist die zur Bevorrechtigung notwendige Positionsbestimmung der Fahrzeuge in dicht bebauten Innenstadtbereichen aufgrund von Mehrwegeausbreitung und plötzlich auftretenden Abschattungen der Satellitensignale oftmals nicht hinreichend präzise. Die Positionssignale können zudem durch manipulative Eingriffe gestört (Jamming) oder verfälscht (Spoofing) werden. Im Bereich der LSA-Steuerung besteht zudem das Problem, dass sich die Bevorrechtigung oftmals nur auf die unmittelbar nächste Kreuzung beschränkt, anstatt flexibel entlang einer Einsatzroute zur Verfügung zu stehen. Außerdem werden häufig alle nicht durch das Sondereinsatzfahrzeug genutzten Zufahrten einer Kreuzung gesperrt, obwohl hier kein Konflikt mit dem Einsatzfahrzeug besteht. Daraus ergeben sich unnötige Stauungen für den allgemeinen Verkehr und ggf. nachfolgende Einsatzfahrten. Das Ziel des Forschungsprojektes „HALI Berlin“ ist es daher, diese bestehenden Einschränkungen zu adressieren und eine Einsatzwagenbevorrechtigung entlang dynamischer LSA-Routen auf Basis des Europäischen Satellitennavigationssystems Galileo und des PRS-Dienstes (Public Regulated Service) unter den realen Bedingungen eines komplexen, innerstädtischen Testfeldes zu demonstrieren. Galileo PRS ist ein spezieller, kryptographisch geschützter Navigationsdienst, der u.a. Anwendern und Behörden mit Sicherheitsaufgaben zur Verfügung steht. Das PRS-Signaldesign sowie die eingesetzte Verschlüsselung sorgen dabei für einen sehr hohen Schutz gegenüber Störung und Verfälschung, was die Umsetzung einer Reihe sicherheitskritischer Anwendungen ermöglicht, welche mit anderen Navigationsdiensten in dieser Form nicht umsetzbar sind. Um die Anforderungen für den Realbetrieb zu erfüllen, werden die existierenden „PROOF miniPRS-Receiver“ [3], [4], [5] aktuell hinsichtlich Zuverlässigkeit und Robustheit gegenüber Interferenzen und Genauigkeit der Positionierung im Projekt weiterentwickelt, bevor sie in einer Reihe von Sondereinsatzfahrzeugen zum Einsatz kommen. Der bisherige Entwicklungsstand zielte nur auf die Verarbeitung des Open Service (OS) und des PRS-Signals unter Laborbedingungen und in statischen Szenarien unter idealen Empfangsbedingungen ab. Parallel dazu werden momentan mehrere Lichtsignalanlagen im Berliner Testgebiet im Stadtteil Moabit technisch so angepasst, dass sie die Schaltwünsche der Einsatzfahrzeuge empfangen können. Grundlage ist der HALI -Ansatz aus Finnland [6], welcher auf deutsche Verhältnisse adaptiert wird. Dafür ist es notwendig, einen zentralen HALI-Server aufzubauen, der die Positionen der Fahrzeuge empfängt und zusammen mit deren bekannten Zielorten eine verkehrlich optimierte Routenempfehlung berechnet. Entlang dieser vorgeschlagenen Einsatzroute werden die einzelnen Lichtsignalanlagen in Abhängigkeit aktueller Fahrzeugpositionen dynamisch und über mehrere Knotenpunkte hinweg vom HALI-Server dezentral geschaltet, wobei auch auf Abweichungen vom Routenvorschlag reagiert werden kann. Eine Information über die vorgeschlagene Route zusammen mit der geschalteten Bevorrechtigung wird den Einsatzkräften zudem ins Fahrzeug übertragen. Im Rahmen des mehrmonatigen Testbetriebs wird das HALI-Gesamtsystem hinsichtlich verkehrlicher und sicherheitstechnischer Aspekte evaluiert, mit dem Ziel, dieses in den Regelbetrieb zu überführen.