1. Computertomographie der Sakroiliakalgelenke in der Diagnostik der axialen Spondyloarthritis
- Author
-
Ziegeler, Katharina
- Subjects
axial spondyloarthrititis ,sacroiliac joint ,computed tomography ,600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften::610 Medizin und Gesundheit::610 Medizin und Gesundheit - Abstract
Im Rahmen dieser Arbeit wurde der Stellenwert der Computertomographie in der Diagnostik und Differentialdiagnostik der axialen Spondyloarthritis am Sakroiliakalgelenk evaluiert. Hierbei wurden Limitationen der Spezifität an Patient:innen ohne Spondyloarthritis untersucht, die besondere Rolle der anatomischen Varianz bei Patient:innen mit tiefsitzendem Rückenschmerz betrachtet, sowie bildgebende Klassifikationskriterien der axialen Spondylarthritis dargelegt und schließlich die diagnostische Performance der Computertomographie im Vergleich zu Röntgen und Magnetresonanztomographie ermittelt. Zunächst wurde die Prävalenz struktureller Läsionen der Sakroiliakalgelenke in einer retrospektiv rekrutierten Kohorte von 818 Patient:innen ohne Erkrankung des Bewegungsapparates untersucht (Originalarbeit 1). In dieser umfassenden Untersuchung konnte neben einer detaillierten Aufschlüsselung der Häufigkeit von computertomographischen Gelenkläsionen nach Geschlecht und Altersgruppe auch eine Assoziation von anatomischen Normvarianten mit degenerativen Gelenkveränderungen (insbesondere Sklerose) gezeigt werden. Sklerose, die historisch einen hohen Stellenwert in der Diagnostik der Sakroiliitis einnimmt zeigte sich bei mehr als der Hälfte der Patient:innen über 45 Jahre. Das ventrale Gelenkdrittel konnte aufgrund der führend hier lokalisierten Degeneration als mechanische Hauptbelastungszone bestätigt werden, die räumliche Verteilung degenerativer Läsionen stellte sich jedoch bei Frauen als deutlich vielfältiger als bei Männern dar. Frauen waren zudem signifikant häufiger von anatomischer Variation betroffen. Die hier an einer nicht-erkrankten Kohorte gezeigten Gelenkveränderungen, die den natürlichen Alterungsprozess der Sakroiliakalgelenke abbilden, legen den Grundstein für die Klassifikation pathologischer Gelenkläsionen im Rahmen der axialen Spondyloarthritis. An einer Subpopulation dieser Kohorte (n=718) wurde im Rahmen von Originalarbeit 2 ergänzend hierzu der Einfluss von sowohl der geometrisch-anatomischen Orientierung des Beckens als auch degenerativen Veränderungen der Lumbalwirbelsäule auf strukturelle Läsionen der Sakroiliakalgelenke untersucht. Hierbei zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen Männern, bei denen die Degeneration der Sakroiliakalgelenke signifikant mit der Degeneration der lumbalen Bandscheiben und Facettengelenke korrelierte, und Frauen, bei denen die Degeneration der Sakroiliakalgelenke ein von der Degeneration der Lendenwirbelsäule entkoppelter Prozess zu sein scheint. Die anatomische Ausrichtung des Beckens (ausgedrückt durch die pelvic incidence, den pelvic radius und den sacral table angle) hatte hingegen keinen Einfluss auf Ausmaß oder räumliche Verteilung der strukturellen Gelenkläsionen. Bisher existieren nur wenige Studien, die eine nach Geschlecht getrennte Auswertung von Daten zum Sakroiliakalgelenk vornehmen, und die Ergebnisse unserer Studie unterstreichen die Wichtigkeit für die Präzision der wissenschaftlichen Aussagen zu diesem komplexen Gelenk. Neben eher degenerativ imponierenden Läsionen wurde auch die Häufigkeit von entzündlichen Gelenkläsionen bei Patient:innen ohne axiale Spondyloarthritis untersucht: in Originalarbeit 3 zeigten wir an 56 Patient:innen mit asymptomatischem sekundärem Hyperparathyreodismus, dass Erosionen bei dieser Erkrankung im Vergleich zu gematchten Kontrollen (n=259) signifikant häufiger auftreten. Ähnlich wie die in der Normalpopulation beobachteten Läsionen, waren auch die Erosionen des Hyperparathyreodismus am häufigsten im ventralen Drittel des Gelenks, also der mechanischen Hauptbelastungszone zu finden. Anders als bei der axialen Spondyloarthritis war das Arthropathiemuster des sekundären Hyperparathyreodismus jedoch weder durch Sklerose noch durch Gelenkspaltveränderungen wie Ankylose gekennzeichnet. Der Hyperparathyreodismus sollte entsprechend als bildgebende Differentialdiagnose der axialen Spondyloarthritis nicht außer Betracht gelassen werden und erosive Gelenkläsionen nicht unbedacht mit einer entzündlichen Gelenkerkrankung gleichgesetzt werden. In Originalarbeit 4 wurde die Thematik der anatomischen Gelenkvariation aufgegriffen und in einer Kohorte von Patient:innen mit tiefsitzendem Rückenschmerz (95 axiale Spondyloarthritis; 61 mechanisch-degenerative Erkrankung; 817 Kontrollen) untersucht. Wir fanden in der überwiegenden Mehrheit der Patient:innen mit mechanisch-degenerativer Erkrankung der Sakroiliakalgelenke eine atypische Gelenkform (80,3%). Darüber hinaus zeigte sich eine signifikant höhere Prävalenz einer spezifischen Gelenkvariante, dem iliosakralen Komplex, bei Patient:innen mit axialen Spondyloarthritis verglichen mit ihren nicht-erkrankten Kontrollen. Für diesen Befund wurden zwei unterschiedliche Erklärungsansätze vorgeschlagen: die veränderte Verteilung des biomechanischen Stresses innerhalb des Gelenks führt zu Gelenkläsionen wie etwas periartikulärem Knochenmarködem oder Sklerose, die insbesondere in der MRT als Zeichen der axialen Spondyloarthritis fehlgedeutet werden können. Andererseits kann auch die supraphysiologische mechanische Belastung innerhalb des Gelenks die Inflammation der axialen Spondyloarthritis verstärken oder aufrechterhalten. Anders als für die Magnetresonanztomographie und das Röntgen existierten bis dato keine formalen Kriterien, wann eine CT als positiv für eine axiale Spondyloarthritis zu bewerten ist – das Ziel der Originalarbeit 5 war die Etablierung eben solch formaler Kriterien. Hierzu wurden die CT-Datensätze von insgesamt 546 Patient:innen einem detaillierten Scoring unterzogen (102 axiale Spondyloarthritis; 80 mechanisch-degenerative Erkrankung; 364 Kontrollen) und unterschiedliche Läsionen sowohl einzeln als auch in Kombination miteinander bezüglich ihrer diagnostischen Performance untersucht. Wir fanden für die Kombination aus Erosionen im mittleren und/oder dorsalen Gelenkdrittel sowie Ankylose (partiell oder total) die stärkste diagnostische Performance (LR+ 18,2; LR- 0,3). Sowohl die Inklusion von Sklerose als auch von Erosionen im ventralen Gelenkdrittel reduzierte jeweils die diagnostische Performance deutlich, da hierrunter mehr Patient:innen mit mechanischen Erkrankungen, deren Läsionen vornehmlich in der im ventralen Gelenkdrittel lokalisierten mechanischen Hauptbelastungszone zu finden sind, falsch-positiv als axiale Spondyloarthritis klassifiziert werden. Die im Rahmen dieser Arbeit vorgeschlagenen Klassifikationskriterien sind ein erster wichtiger Schritt für die Einbindung der CT sowohl im klinischen Setting als auch bei wissenschaftlichen Fragestellungen. Im Rahmen von Originalarbeit 6 wurde schließlich die diagnostische Performance von Röntgen, MRT und CT vergleichend betrachtet. In diesem Multi-Reader Experiment wurden 163 Patient:innen mit axialen Spondyloarthritis oder degenerativer Erkrankung des Achsenskeletts untersucht; Bilddaten der unterschiedlichen Modalitäten wurden einzeln und anschließend in Kombination miteinander von Radiolog:innen mit ausgewiesener Expertise in der Diagnostik der axialen Spondyloarthritis bewertet. In dieser Studie konnte gezeigt werden, dass das Röntgen als Bildgebungsmodalität mit der niedrigsten Sensitivität und Spezifität in keinem klinischen Szenario einen fassbaren Mehrwert liefert, und darauf verzichtet werden sollte, wenn eine MRT vorliegt oder unkompliziert durchzuführen wäre. Die CT zeigte in dieser Studie eine überlegene Reproduzierbarkeit in der Bewertung durch die Expert:innen (kappa=0,875) und die im Vergleich stärkste Spezifität von 97,3% und entsprechend niedrigste Rate an falsch positiv klassifizierten Patient:innen. Insgesamt zeigt sich die Computertomographie als hochspezifische Bildgebung bei Patient:innen mit axialer Spondyloarthritis, die insbesondere in klinisch herausfordernden Situationen wichtige Zusatzinformationen für die Differentialdiagnostik liefern kann. Durch die mittlerweile auf ein sehr niedriges Maß reduzierbare Strahlenexposition bei dedizierten Untersuchungen der Sakroiliakalgelenke erscheint der Einzug in die Routinediagnostik und somit die mittel- bis langfristige Ablösung des Röntgenbildes möglich. Hierdurch würde insbesondere einer Überdiagnose entzündlicher Erkrankungen durch die Fehldeutung mechanischer Gelenkveränderungen, die in der MRT zum Teil nur schwer von entzündlichen Läsionen unterscheidbar sind, entgegengewirkt. Diese Unterscheidung ist zudem ein essenzieller Schritt, um die aktuell gegebene Geschlechtsdisparität in der Diagnostik der axialen Spondyloarthritis zu überwinden. Darüber hinaus wird der Einsatz der Computertomographie im wissenschaftlichen Kontext das Verständnis für die Prozesse der Knochenneubildung stärken und gegebenenfalls als Werkzeug zur Überprüfung von hierauf abzielenden Therapieansätzen eine zusätzliche Rolle gewinnen.
- Published
- 2022