Von neuralen Stammzellen (NSC) und deren autologer Transplantation erhofft man sich, dass sie genetisch identische, gesunde Gewebe kreieren können, die zerstörtes ZNS (Zentrales Nervensystem)-Gewebe ersetzen, indem neurotrophe Faktoren sezerniert, neuroinflammatorische Prozesse reduziert und die Neurogenese sowie nichtneuronaler Zellersatz gefördert werden. Insbesondere im Rahmen neurodegenerativer Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Chorea Huntington oder Morbus Alzheimer, aber auch nach ischämischen/traumatischen ZNS-Erkrankungen bzw. Gehirntumoren könnten sie Therapieoptionen darstellen. Neurogenese ist modifizierbar; diverse physiologische, pathologische, chemische bzw. ex- und intrinsische Faktoren haben Einfluss auf Proliferation und Differenzierung. Die Differenzierbarkeit einer Stammzelle ist nicht auf Zelllinien ihres Keimblattes begrenzt, sie kann auch in eine Zelle, die nicht der ursprünglichen Zelllinie zugehört, differenzieren (Transdifferenzierung). Mesenchymale Knochenmarksstromazellen (MSC) können in Neurone differenzieren (mNSC). MSC haben auch direkt Einfluss auf die Neurogenese. Der direkte Effekt von mNSC wurde bis dato noch nicht untersucht. In dieser Arbeit wurde das Proliferations- und Differenzierungsverhalten embryonaler neuraler Ratten- (ratNSC) bzw. Mäusestammzellen, die einen gelb fluoreszierenden Farbstoff überexprimierten (YFP-mouseNSC) unter Zellkulturbedingungen mittels indirekter Immunfluoreszenzfärbung untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass Hypoxie (3% O2) die Proliferation von NSC hochsignifikant reduziert (von 20,6% auf 8,5%), möglicherweise durch Verringerung der Zelldichte und dadurch verringerte Zellvitalität. Gegebenenfalls bildete auch die als Maß für die Proliferation verwendete Bromodesoxyuridin (BrdU)-Inkorporation die Ergebnisse falsch ab, da BrdU auch in apoptotische Zellen inkorporiert wird und somit falsch hohe Proliferationsraten liefert. Folgeversuche sollten ergänzende FACS-Analysen des Zellzyklus beinhalten. mNSC-Überstand reduzierte in Suspensionskultur sowohl Zelltod (im Falle der ratNSC von 17,9% auf 6,4%, im Falle der YFP-mouseNSC von 21,6% auf 7,4%) als auch Proliferation (ratNSC: von 37,4% auf 23,9%; YFP-mouseNSC: von 64,6% auf 48,9%) von NSC signifikant. In adhärenter Kultur hingegen steigerte er die Zellproliferation signifikant (von einer Wachstumsrate von 0,04 pro Tag auf mindestens 0,34 pro Tag). Reduzierter Zelltod und gesteigerte Proliferation beruhen am ehesten auf während der Transdifferenzierung sezernierten löslichen Faktoren, während die mutmaßlich reduzierte Proliferationsrate in Suspensionskultur erneut der Proliferationsmessung mittels BrdU geschuldet gewesen sein könnte, welche die spontane Apoptose der NSC durch Anoikis als hohe Proliferationsrate zeigte, während der Zelltod reduzierende Effekt des Überstandes eine mutmaßlich geringere Proliferation ergab. In direkter Kokultur von mNSC mit NSC kam es zu hochsignifikant gesteigerten Proliferationsraten im Vergleich zu Kontrollen (Steigerung der Wachstumsrate von 0,03 auf 0,27 pro Tag bei Zugabe von 19000 Zellen). Unsere Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass es dabei auf mRNA- und Proteinebene zu einer Hochregulierung von zytotrophischen Faktoren kommt, die zum Teil neuroprotektiv wirken. Insgesamt jedoch ist die neuronale Differenzierungskapazität von MSC limitiert. Mittlerweile können mit Verfahren, die die heterologe Expression verschiedener Transkriptionsfaktor-Kombinationen nutzen, NSC aus Fibroblasten generiert und expandiert werden – sog. induzierte pluripotente Stammzellen-, die die Haupteigenschaften primärer NSC besitzen. In zukünftigen Studien sollte der Effekt dieser Zellen in Kokultur mit primären NSC untersucht werden. Interleukin-1ß, Interleukin-11, Leukemia inhibitory Factor und Forskolin begünstigten eine neuronale Differenzierung von NSC. IL-1ß z. B., inhibiert unter anderem die Differenzierung hippokampaler neuronaler Vorläuferzellen in serotonerge Neurone, gleichzeitig fördert es im Rahmen von Schlafentzug die neuronale Zellproliferation. Bekannte Effekte dieser Faktoren konnten somit bestätigt werden. Retrospektiv wäre es jedoch sinnvoller gewesen, klar synergistisch wirkende Faktoren zu verwenden, um deren Effekt besser spezifizieren zu können. Die in dieser Arbeit verwendeten in vitro Kulturbedingungen können die Situation in vivo naturgemäß nur begrenzt widerspiegeln, weshalb es in folgenden Arbeiten sinnvoll wäre, anhand von in vivo Modellen zu überprüfen, inwieweit die untersuchten Effekte auf Differenzierung und Proliferation Bestand haben.