Zwischen den Ansprüchen von Praktikern, Klienten und Forschenden an ‚gute’ Forschung existiert eine erhebliche Kluft. Während Praktiker und Klienten eher idiographisch und nutzenorientiert („Was helfen mir die Resultate der Forschung für den heute anwesenden Klienten?“) argumentieren, sind Forscher eher einem nomothetischen Ansatz verpflichtet, der sich heute wesentlich an den Richtlinien der Evidence-Based-Forschung orientiert. Etwas verkürzt bezeichnet der aus der Medizin stammende Begriff einen Best-Practice-Ansatz, welcher sich auf eine systematische Recherche, Analyse und Bewertung von Belegen stützt, die für oder gegen die Wirksamkeit einer Behandlung sprechen. Die höchste Qualitätsstufe erreichen nach dieser Sichtweise nur so genannte randomisierte Kontrollgruppenuntersuchungen (RCT, randomized control trials). Nur so lässt sich eine Wirkung kausal auf die Intervention zurückführen. Das klassische Modell wurde zur Recht als zu praxisfern (beispielsweise durch das Doppelblindkriterium) bezeichnet (vgl. z.B. Leichsenring & Rüger, 2004) und als zu stark an der Medikamentforschung (Hunsperger, 2007) orientiert kritisiert. Zudem scheint die enge Auslegung des Begriffs auf einem Missverständnis zu beruhen, auf das schon Sackett et al. (1996) hingewiesen haben. Glaubwürdige und brauchbare Evidenz entsteht nicht ausschließlich durch die Anwendung und treue Befolgung einer bestimmten Forschungsmethode, sondern vielmehr durch das Zusammenspiel von praktischer Expertise und Forschung auf der Basis von Beobachtungen und Daten. Nomothetische und idiographische Evidenz sind dabei gleichermaßen von Bedeutung. In der Folge wurde in der Psychotherapieforschung verstärkt die Forderung einer ergänzenden und am Einzelfall orientierten Forschung laut (z.B. Grawe, 1998, Lambert & Okiishi, 1997; Schulte, 1997) und auch realisiert (z.B. Lutz, Martinovich & Howard, 1999; 2001). Ziel ist die Unterstützung der differentiellen und adaptiven Indikation durch empirisch gestützte Entscheidungs- und Handlungsregeln (Lutz, Kosfelder & Joormann, 2004). Von Lutz, Kosfelder & Joormann (ebd.) nicht genannt, aber u. E. von gleicher Bedeutung ist der Akzeptanzgewinn der Forschung bei Klienten und Praktikern. Ist es doch für die Beteiligten oft nur sehr schwer einzusehen, warum so viel Zeit in das Ausfüllen von Fragebögen investiert werden soll, ohne dass ein direkt verwertbarer Nutzen resultiert. Zudem halten wir die Reduktion der Klienten auf reine Forschungsobjekte, die Daten zu liefern haben, für bedenklich.