Der ländliche Raum nimmt zwei Drittel der Gesamtfläche von Deutschland ein und ist dabei zusätzlich Lebensraum von einem Drittel der in Deutschland lebenden Personen. Mit Blick auf die aktuelle Entwicklung ist davon auszugehen, dass der Demografische Wandel anhalten wird und das Durchschnittsalter der ländlichen Bevölkerung bis zum Jahr 2030 auf 49,5 Jahren ansteigen wird. Dieser Anstieg ist unteranderem auf die Abwanderung der jüngeren Generationen in die Städte zurückzuführen, was zur Folge hat, dass die Schülerzahlen im ländlichen Raum zurückgehen. Hierbei ist zu beachten, dass gerade in diesem Raum die Schüler*innen die Hauptnutzer des ÖPNVs sind und somit eine wichtige Einnahmequelle darstellen. Hierauf reagieren die Betreiber mit einer Reduzierung der Linien und der Taktung, wodurch das ÖPNV-Angebot laufend schlechter wird. Der Rückgang des ÖPNV-Angebotes stärkt gleichzeitig die Pkw-Abhängigkeit, die bei gleichbleibendem Trend weiter zunehmen wird. Allerdings sind über die Hälfte der über 80-jährigen Menschen in Deutschland aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ein eigenes Kfz zu steuern. Zusätzlich verursacht diese Gruppe durchschnittlich mehr Unfälle als andere Altersgruppen. Weiterhin besteht das Straßennetz im ländlichen Raum zum Großteil aus Landstraßen. Die Unfallfolgen sind hier besonders schwer. Diese Tatsachen in Verbindung mit der Altersgruppe der über 80-jähringen, die durchschnittlich mehr Unfälle verursachen, werden dafür sorgen, dass die Unfallzahlen und die Unfallschwere, gerade auf außerörtlichen Straßen, zunehmen. Diese Entwicklung wird zum einen die Mobilität der dort lebenden Menschen stark einschränken und zum anderen die Unfallzahlen und Unfallschwere im ländlichen Raum steigen lassen. Durch den Einsatz von Fahrassistenzsystemen der Automatisierungsstufe 1 und 2 (nach SAE) wird schon heute die Schwere der Unfälle sowie die Gesamtanzahl sukzessiv verringert. Aktuell bieten der MIV-Markt und der rechtliche Zulassungsrahmen Systeme bis zur Stufe 2 an. Ein weiterer Anstieg der Automatisierungsstufe wird positive Auswirkungen auf die Sicherheit des Straßenverkehrs haben. Ab der Automatisierungsstufe 4 kann das System die komplette Fahraufgabe in bestimmten Situationen (ODDs) übernehmen. Diese Stufe wird als Meilenstein gesehen, denn ab hier wird die Automatisierung einen starken Einfluss auf die Mobilität haben und kann unteranderem zur Mobilitätssicherung des ländlichen Raums beitragen. Die rechtlichen und technischen Bedingungen dieser Stufe sind besonders hoch. Daher variieren Prognosen für die Einführung im MIV-Markt zwischen den Jahren 2030 und 2040. Die Markteinführung von Fahrzeugen der Automatisierungsstufe 4 für den ÖPNV wird hingegen wesentlich früher prognostiziert. Der Markt von automatisierten Kleinbussen (Shuttles) der Stufe 4 wächst rasant und bietet eine große Auswahl neuer Modelle. Tests mit den Shuttles sind in Deutschland im öffentlichen Straßenverkehr nur unter strengen rechtlichen Vorgaben durchführbar. So werden rechtliche Ausnahmegenehmigungen benötigt und die Höchstgeschwindigkeit auf 20 km/h begrenzt. Trotz der strengen Auflagen und der eingeschränkten Einsatzmöglichkeiten soll das automatisierte Fahren in der Straßenplanung berücksichtigt werden. So ist eine häufige Forderung in Planungsgremien, dass bei der Straßenplanung schon heute die Voraussetzungen des automatisierten Fahrens berücksichtigt werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Straßen lange Lebenszyklen haben und sie hierdurch zukünftige Faktoren berücksichtigen sollten. Daher ist die infrastrukturelle Voraussetzung für den Einsatz automatisierter Fahrzeuge im Segment der Verkehrsplanung besonders relevant. Um die Voraussetzungen in Richtlinien und Regelwerke zu integrieren, müssen sie einheitlich und klar definiert sein. Die Untersuchungen ergaben jedoch, dass die Voraussetzungen von der Automatisierungsstufe sowie von den jeweiligen Herstellern abhängig sind. Hierfür werden in der vorliegenden Arbeit die unterschiedlichen Voraussetzungen recherchiert, analysiert und, aufgrund des dynamischen Marktes, auch Planfälle hierfür entwickelt. Aufgrund verkehrsplanerischer Relevanz ist das Potenzial der automatisierten Shuttles im ländlichen Raum für die Mobilitätssicherung am höchsten und wird daher fokussiert. Zusätzlich zur detaillierten Untersuchung des automatisierten Straßenverkehrs wurde die digitale und physische Infrastruktur analysiert. Als dritter Untersuchungsparameter wurde der ländliche Raum mit dem Fokus auf die Mobilität und die Entwicklung betrachtet. Die Überlagerung der drei Themenfelder „automatisierter Straßenverkehr“, „Infrastruktur“ und „ländlicher Raum“ verdeutlicht das hohe Potenzial des automatisierten Straßenverkehrs im ländlichen Raum. Jedoch ist der Einsatz immer an die infrastrukturellen Voraussetzungen gekoppelt, die im Vorfeld zu prüfen sind. Hierunter fallen die HD-Karte, die Mobilfunk – und Satellitennetzabdeckung sowie Orientierungspunkte im Streckenumfeld. Detaillierte Angaben zur Gestaltung des Straßenraums für automatisierte Fahrzeuge sind durch die Herstellerangaben nicht abzuleiten. Diese Voraussetzungen konnten jedoch durch die Analyse von wissenschaftlichen Test- und Projektberichten konkretisiert werden. Mit Blick auf die Shuttles der Firma Navya und EasyMile wurde herausgefunden, dass nicht nur die Voraussetzungen herstellerabhängig sind, sondern auch die Testberichte trotz Nutzung der selben Modelle zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen. Resultierend aus diesen Unstimmigkeiten wurden in dieser Arbeit empirische Tests mit den zwei Shuttle Modellen durchgeführt. Diese Tests bezogen sich auf zwei unterschiedliche Testfelder und umfassten eine Untersuchung der Funktionsweise sowie ein Interview der Chiefoperator. Anhand dieser gesicherten Ergebnisse sowie der Marktanalyse des ÖPNVs und des MIVs konnten infrastrukturelle Voraussetzungen, in Abhängigkeit zu Hersteller und Automatisierungsstufe, definiert werden. Für eine Aussage über die Einsatzmöglichkeiten im ländlichen Raum wurde die außerörtliche Infrastruktur eines Untersuchungsgebietes analysiert. Ein erstes projektionsbasiertes Ergebnis dieser Arbeit ist, dass der Einsatz automatisierter Pkw der Stufe 4 frühestens ab dem Jahr 2035 auf außerörtlichen Straßen möglich wird. Dies ist unteranderem auf die fehlenden HD-Karten zurückzuführen, die in naher Zukunft vorläufig für Autobahnen erstellt werden. Die automatisierten Shuttles hingegen erstellen ihre HD-Karte selbst bzw. werden diese von den Herstellerfirmen für den Einsatzzweck angefertigt. Auch die Zulassung ist anhand von Ausnahmegenehmigungen für Teststrecken möglich. Die Analyse des Untersuchungsgebietes ergab, dass die Shuttles mit der aktuellen Technik auf ca. 2 % des Straßennetzes einsetzbar sind. Sobald die Höchstgeschwindigkeit der Shuttles auf 50 km/h ansteigt (nach dem Planfall für das Jahr 2030), können bis zu 65 % der Straßen des untersuchten Gebietes befahren werden. Das restliche Straßennetz weist einen zu geringen Straßenquerschnitt auf oder bietet keine Orientierungspunkte im Seitenraum. Ebenfalls wurden im Untersuchungsgebiet potenzielle Mehrfahrerschließungen sondiert. Hierbei wurde die Möglichkeit untersucht, Straßen abschnittsweise für den Kfz zu sperren und nur für den Shuttleverkehr freizugeben. Hierdurch können automatisierte Shuttle wesentlich früher eingesetzt werden, ohne eine Umwegigkeit für andere Verkehrsteilnehmer durch die Sperrung entstehen zu lassen. Mit der Dissertation wird die Grundlage für die infrastrukturelle Voraussetzung von automatisiertem MIV- und ÖPNV geschaffen. Anhand der Literatur- und Projektrecherche sowie der empirischen Untersuchung werden schlüssige infrastrukturelle Voraussetzungen definiert, die durch die Entwicklung eines Planfalls auch den zukünftigen Markt abdecken. Weiterhin fasst die Arbeit Handlungsempfehlungen zusammen, die bei der Planung der Infrastruktur berücksichtig werden können. Die Testfelder automatisierter Shuttles sind ein relevanter Baustein der Grundlagenforschung, weswegen die Handlungsempfehlungen auch fundamentale Planungsparameter von diesen Testfeldern beinhalten. Rural areas cover two-thirds of the total area of Germany and are also the living space of one-third of the people living in Germany. In view of current developments, it can be assumed that demographic change will continue and that the average age of the rural population will rise to 49.5 years by 2030. This increase is due, among other things, to the migration of the younger generations to the cities, with the result that the number of schoolchildren in rural areas will decline. It should be noted that it is precisely in this area that schoolchildren are the main users of public transport and thus represent an important source of income. The operators are reacting to this by reducing the number of lines and the frequency of service, which means that the public transport service is constantly deteriorating. At the same time, the decline in public transport services strengthens car dependency, which will continue to increase if the trend remains unchanged. However, more than half of the people over 80 in Germany are no longer able to drive their own car for health reasons. In addition, this group causes more accidents on average than other age groups. Furthermore, the road network in rural areas consists largely of country roads. The consequences of accidents are particularly severe here. These facts, combined with the age group of the over-80s, who cause more accidents on average, will ensure that the number of accidents and the severity of accidents will increase, especially on non-urban roads. This development will, on the one hand, severely restrict the mobility of the people living there and, on the other hand, increase the number and severity of accidents in rural areas. The use of driver assistance systems of automation level 1 and 2 (according to SAE) is already gradually reducing the severity of accidents and the overall number of accidents. Currently, the MIV market and the legal approval framework offer systems up to level 2. A further increase in the automation level will have a positive impact on road safety. From automation level 4, the system can take over the complete driving task in Operational Design Domains (ODDs). This level is seen as a milestone, because from here on automation will have a strong impact on mobility and can contribute, among other things, to securing the mobility of rural areas. The legal and technical conditions of this stage are particularly high. Therefore, forecasts of the introduction in the MIV market vary between the years 2030 and 2040. In contrast, the market launch of automated vehicles for public transport at automation level 4 is forecast to be much earlier. The market of level 4 automated shuttles is growing rapidly and offers a wide range of new models. Tests with the shuttles on public roads in Germany can only be carried out under strict legal conditions. Legal exemptions are required, for example, and the maximum speed is limited to 20 km/h. Despite the strict conditions and the limited possibilities for use, automated driving is to be taken into account in road planning. For example, a frequent request in planning committees is that road planning already take into account the requirements of automated driving. This is due to the fact that roads have long life cycles and they should take future factors into account as a result. Therefore, the infrastructural prerequisite for the use of automated vehicles is particularly relevant in the segment of traffic planning. In order to integrate the prerequisites into guidelines and regulations, they must be uniform and clearly defined. However, the investigations showed that the prerequisites depend on the automation level as well as on the respective manufacturers. For this purpose, the different prerequisites are researched, analyzed and, due to the dynamic market, projections for them are also developed in the present work. Due to the relevance for traffic planning, the potential of automated shuttles is highest in rural areas for securing mobility and is therefore focused on. In addition to the detailed investigation of automated road transport, the digital and physical infrastructure was analyzed. As a third study parameter, rural areas were considered with a focus on mobility and development. The overlapping of the three topics "automated road traffic", "infrastructure" and "rural area" illustrates the high potential of automated road traffic in rural areas. However, its use is always linked to infrastructural requirements, which must be examined in advance. These include the HD-map, mobile communications- and satellite network coverage, and landmarkers in the road environment. Detailed information on the design of road environment for automated vehicles cannot be derived from the manufacturer's specifications. However, these prerequisites could be concretized by analyzing scientific test and project reports. Looking at the Navya and EasyMile shuttles, it was found that not only are the prerequisites manufacturer-dependent, but also the test reports came to different conclusions despite using the same models. As a result of these inconsistencies, empirical tests were conducted in this thesis using the two shuttle models. These tests were related to two different test fields and included an investigation of the functionality, as well as an interview of the chiefoperator. Based on these verified results as well as the market analysis of the public and the private transport, infrastructural requirements could be defined, which depend on the manufacturers as well as on the automation levels. For a statement about the application possibilities in rural areas, the extra-urban infrastructure of a study area was analyzed. A first projection-based result of this work is that the use of automated passenger cars of level 4 will not be possible on non-urban roads until 2035 at the earliest. This is due in part to the lack of HD-maps, which are tentatively being created for highways in the near future. The automated shuttles, on the other hand, create their HD-map themselves or are made by the manufacturing companies for the purpose. Approval is also possible based on exemptions for test routes. The analysis of the study area showed that the shuttles can be used on about 2 % of the road network with the current technology. Once the maximum speed of the shuttles increases to 50 km/h (according to the projection for the year 2030), up to 65 % of the roads in the studied area can be used. The remaining road network has too small a road cross-section or does not provide any orientation points in the road environment. Multiple road connection were also explored in the study area. The possibility of closing sections of roads to private vehicles and opening them only to shuttle traffic was investigated. This would allow automated shuttles to be deployed much earlier without causing detours for other road users due to the closure. The dissertation lays the foundation for the infrastructural prerequisite of automated MIV and public transport. Based on the literature and project research as well as the empirical investigation, conclusive infrastructural prerequisite is defined, which also covers the future market by developing a projection. Furthermore, the thesis summarizes recommendations for action that can be taken into account when planning the infrastructure. The test fields of automated shuttles are a relevant component of basic research, which is why the recommendations for action also include fundamental planning parameters of these test field.