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IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten : Überblick und erste Ergebnisse
- Source :
- PUB-Publications at Bielefeld University
- Publication Year :
- 2016
-
Abstract
- Die Befragung: Die IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten ist eine jährliche Wiederholungsbefragung, die im Längsschnitt rund 4.500 Geflüchtete befragt. Im ersten Teil wurden 2016 2.349 Geflüchtete interviewt, die in 1.766 Haushalten leben. Der zweite Teil der Befragung ist bis Dezember 2016 noch im Feld und wird den Umfang der Stichprobe in etwa verdoppeln. Befragt werden Geflüchtete, die vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Januar 2016 in Deutschland eingereist sind und einen Asylantrag gestellt haben, sowie ihre Haushaltsmitglieder. Befragt wurden in der ersten Welle nur erwachsene Personen (18 Jahre und älter). Alle in diesem Bericht vorgestellten Ergebnisse beruhen auf dem ersten Teil der Befragung. Ursachen, Dauer, Kosten und Risiken der Flucht: Die große Mehrheit der Befragten gibt Angst vor Krieg und Gewalt (70%), Verfolgung (44%) und Zwangsrekrutierung (36%) als wichtigste Fluchtursachen an, teilweise in Verbindung mit prekären persönlichen Lebensverhältnissen (39%). Etwa 60 Prozent der Geflüchteten sind direkt nach Deutschland gezogen, 40 Prozent über Transitländer1. Ausschlaggebend für den Wegzug aus Transitländern waren prekäre Lebensverhältnisse, Diskriminierung, Vertreibung und Verfolgung. Die meisten Geflüchteten geben die Achtung der Menschenrechte als wichtigsten Zuzugsgrund nach Deutschland an (73%), gefolgt vom Bildungssystem (43%) und dem Willkommensgefühl (42%). Etwa ein Viertel nennt die Wirtschaftskraft Deutschlands. Im Durchschnitt wendeten die Geflüchteten gut 7.000 EURO pro Person für die Flucht nach Deutschland auf, im Median 5.000 EURO. Auf der Flucht waren viele Geflüchtete erheblichen Risiken für ihre Gesundheit und ihr Leben ausgesetzt. Ein Viertel gibt an, Opfer von Schiffbruch, zwei Fünftel Opfer von Gewalt geworden zu sein. Die Dauer der Flucht aus dem Herkunftsland wird im Durchschnitt mit gut 40 Tagen angeben. Kosten und Dauer der Flucht sind im Zeitverlauf gesunken. Asylverfahren und Bleibeabsichten: Die durchschnittliche Dauer vom Stellen des Asylantrags bis zur behördlichen Entscheidung dauerte bei den Befragten, deren Asylverfahren abgeschlossen war, sieben Monate, wobei diese Periode im Zeitverlauf deutlich gesunken ist. Die Befragten, über deren Asylanträge noch nicht entschieden wurde, befanden sich im Durchschnitt bereits 15 Monate in den Asylverfahren. Eine Schätzung der Verfahrensdauer ab Antragstellung zeigt einen deutlichen Rückgang im Zeitverlauf: Waren 2013 im Durchschnitt nach zehn Monaten weniger als ein Fünftel der Asylanträge entschieden, so stieg dieser Anteil 2015 auf ein Drittel und 2016 auf gut zwei Fünftel. Rund 90 Prozent der Befragten wollen dauerhaft in Deutschland bleiben. Qualifikation und Bildungsaspirationen 58 Prozent der erwachsenen Geflüchteten haben zehn Schuljahre und mehr in Schulen und Hochschulen sowie beruflicher Bildung verbracht, im Vergleich zu 88 Prozent der deutschen Wohnbevölkerung. Die Allgemeinbildung der Geflüchteten ist stark polarisiert: 37 Prozent der Geflüchteten haben weiterführende Schulen besucht und 32 Prozent abgeschlossen, 31 Mittelschulen besucht und 22 Prozent abgeschlossen. 5 Prozent haben sonstige Schulen besucht. Auf der anderen Seite des Qualifikationsspektrums haben 10 Prozent Grundschulen, 9 Prozent gar keine Schule besucht. 19 Prozent der erwachsenen Geflüchteten haben eine Universität oder Hochschule besucht, 13 Prozent einen Hochschulabschluss erworben. 12 Prozent ha en eine Ausbildung entweder im Betrieb oder anderen berufsbildenden Einrichtungen gemacht, 6 Prozent davon abgeschossen. 46 Prozent der Befragten wollen noch einen Schulabschluss, 66 Prozent noch einen Hochschul- oder berufsbildenden Abschluss in Deutschland erwerben. Bei den Bestrebungen Bildungsabschlüsse zu erwerben treten kleine Unterschiede zwischen Männern und Frauen auf, die allerdings verschwinden, wenn für Kinder kontrolliert wird. Sprachkompetenz: 90 Prozent der Geflüchteten hatten beim Zuzug keine Deutschkenntnisse, allerdings steigt das Niveau der Sprachkenntnisse nach Selbsteinschätzung der Befragten vergleichsweise schnell im Zeitverlauf. Unter den Befragten, die sich zwei Jahre und weniger in Deutschland aufhielten, gaben 18 Prozent an, zum Zeitpunkt der Befragung über gute oder sehr gute Deutschkenntnisse zu verfügen, 35 Prozent über mittlere und 47 Prozent über schlechte. Berufserfahrung, Arbeitsmarktintegration und Erwerbsaspirationen: 73 Prozent der befragten Geflüchteten (Männer: 81%, Frauen: 50%) im Alter von 18 bis 65 Jahren haben vor dem Zuzug nach Deutschland Berufserfahrungen gesammelt, im Durchschnitt 6,4 Jahre. Davon waren 30 Prozent als Arbeiter, 25 Prozent als Angestellte ohne Führungsposition, 13 Prozent als Angestellte mit Führungsposition und 27 Prozent als Selbständige tätig. In Deutschland waren im Durchschnitt der Stichprobe zum Befragungszeitpunkt 14 Prozent der Befragten als Vollzeit- und Teilzeitkräfte, Selbständige, Auszubildende oder Praktikanten erwerbstätig. Unter den 2015 und 2016 zugezogenen Geflüchteten waren 13 Prozent, unter den 2014 zugezogenen 22 Prozent und unter den 2013 und vorher zugezogenen 31 Prozent erwerbstätig. In der Gruppe der nichterwerbstätigen Geflüchteten geben 78 Prozent an, "ganz sicher" arbeiten zu wollen, weitere 15 Prozent "wahrscheinlich". 97 Prozent der Männer und 87 Prozent der Frauen wollen "sicher" oder "wahrscheinlich" einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Sprachprogramme, andere Integrationsmaßnahmen und Arbeitsvermittlung Rund ein Drittel der Befragten gab zum Befragungszeitpunkt an, an den Integrationskursen des BAMF teilgenommen zu haben, 5 Prozent an den berufsbezogenen ESF-BAMF-Sprachkursen und 8 Prozent an den BA-Einstiegskursen oder anderen BA-Sprachprogrammen, 38 Prozent an anderen Sprachkursen. Rund ein Drittel hat bisher an keinen Sprachprogrammen teilgenommen oder teilnehmen können. Erste Schätzungen zeigen, dass ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen dem Abschluss von Integrationskursen des BAMF, ESF-BAMF-Sprachkursen und den Sprachprogrammen der BA und der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit besteht, wobei die Effekte der ESF-BAMF-Sprachprogramme am stärksten ausfallen. Die Ergebnisse sind als Korrelationen, nicht kausal zu interpretieren. Auch der Abschluss des Programms "Perspektiven für Flüchtlinge" und die Arbeitsmarkt- und Berufsberatung der BA bzw. der Jobcenter sind statistisch signifikant und positiv mit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit korreliert. 22 Prozent der Befragten haben nach eigenen Angaben die Berufsberatung der BA, 19 Prozent die Berufsberatung eines Jobcenters in Anspruch genommen. Weiteren 20 bzw. 19 Prozent waren diese Angebote bekannt. Rund ein Fünftel der Geflüchteten gibt an, bei der Arbeitssuche Hilfe benötigt und erhalten zu haben; zwei Fünftel sagen, dass sie Hilfe benötigt, aber keine erhalten hätten. Unter den Geflüchteten, die bereits einer Erwerbstätigkeit in Deutschland nachgegangen sind, geben 42 Prozent an, ihre erste Stelle durch Familienangehörige, Freunde und Bekannte gefunden zu haben, im Vergleich zu 55 Prozent bei anderen Migrantengruppen. Geflüchtete ohne Berufs- und Hochschulabschlüsse finden überdurchschnittlich häufig ihre erste Stelle durch persönliche Kontakte (60%), während dies Personen mit Berufs- oder Hochschulabschluss häufiger über die Arbeitsagenturen und Jobcenter (33%) sowie über Zeitungen und Internet (10%) gelingt. Einstellungen zur Demokratie: Die Geflüchteten zeigen in der Befragung eine hohe Übereinstimmung mit der deutschen Bevölkerung bei der Zustimmung zu demokratischen Grundwerten und unterscheiden sich teilweise von Befragten im arabischen Raum und anderen Herkunftsregionen. 2 96 Prozent der Geflüchteten (Deutsche Bevölkerung: 95%, Bevölkerung der Herkunftsregionen: 91%) halten die Demokratie für die beste Staatsform, 96 Prozent der Geflüchteten halten freie Wahlen (Deutsche: 91%, Herkunftsregionen: 89%) und 93 Prozent den Schutz von Bürgerrechten (Deutsche: 83%, Herkunftsregionen: 80%) für elementare Bestandteile von Demokratien. Zwar stimmen 21 Prozent der Geflüchteten der Aussage zu, dass man einen starken Führer braucht, der sich nicht um einen Parlament und freie Wahlen kümmern muss, aber das trifft auch auf 22 Prozent der deutschen Bevölkerung und 46 Prozent der Bevölkerung der Herkunftsregionen zu. 13 Prozent der Geflüchteten sind schließlich der Auffassung, dass Religionsführer über die Auslegung der Gesetze entscheiden sollten, im Vergleich zu 8 Prozent in der deutschen Bevölkerung und 55 Prozent der Bevölkerungen der Herkunftsländer. Einstellungen zur Gleichberechtigung von Mann und Frau: 92 Prozent der Geflüchteten (Deutsche: 92%, Herkunftsregionen: 67%) sind der Auffassung, dass gleiche Rechte von Frauen und Männern zur Demokratie gehören. 86 Prozent der Geflüchteten, aber nur 71 Prozent der Deutschen sind der Auffassung, dass eine Arbeit zu haben der beste Weg für eine Frau ist, unabhängig zu sein. 29 Prozent der Geflüchteten, aber nur 19 Prozent der Deutschen, stimmen der Aussage zu, dass es zwangsläufig zu Problemen führt, wenn eine Frau mehr als ihr Partner verdient. 18 Prozent der Geflüchteten und 16 Prozent der Deutschen sind der Auffassung, dass für die Eltern die Ausbildung oder Hochschulbildung der Söhne wichtiger sein sollte als die der Töchter. Wohlbefinden und Gesundheit: Die Geflüchteten weisen eine mit der deutschen Bevölkerung vergleichbare Lebenszufriedenheit auf. Die Zufriedenheit mit dem Gesundheitszustand ist höher als in der deutschen Bevölkerung. Diese Ergebnisse sind allerdings auch auf das niedrigere Durchschnittsalter zurückzuführen. Schließlich berichten Geflüchtete häufiger als die deutsche Bevölkerung über Einsamkeit und Depressionen, was sowohl in Zusammenhang mit den Kriegs- und Fluchterfahrungen, als auch der Lebenssituation in Deutschland stehen kann. Persönlichkeitsmerkmale der Geflüchteten: Die Geflüchteten verfügen über ein höheres Selbstwertgefühl als Deutsche ohne Migrationshintergrund und andere Migrantengruppen. Die Risikobereitschaft ist nicht höher ausgeprägt als bei diesen beiden Vergleichsgruppen. Dafür ist die positive Reziprozität, also die Bereitschaft einen Gefallen zu erwidern, stärker, die negative Reziprozität, also die Neigung sich für erlittenes Unrecht zu rächen, schwächer. Kontrollüberzeugungen, also die Überzeugung selbst über sein Schicksal bestimmen zu können, sind schwächer als in der deutschen Bevölkerung ohne Migrationshintergrund oder anderen Migrantengruppen ausgeprägt. Soziale Kontakte, Diskriminierung und Willkommensgefühl: Die Geflüchteten geben an, dass sie im Mittel seit ihrer Ankunft drei neue Kontakte zu Deutschen und fünf neue Kontakte zu Personen aus den Herkunftsländern geknüpft haben. 60 Prozent haben häufig, d.h. mindestens einmal die Woche, Kontakte zu Deutschen. Die Kontaktintensität zu Deutschen ist bei einer dezentralen Unterbringung höher als bei einer Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften und in kleinen Kommunen größer als in großen Kommunen. 10 Prozent der Geflüchteten berichten, dass sie häufig wegen ihrer Herkunft benachteiligt wurden, weitere 36 Prozent selten. Geflüchtete berichten damit häufiger von Diskriminierung als andere Migrantengruppen (32 Prozent). 65 Prozent der 2015 zugezogenen Geflüchteten haben sich bei ihrer Ankunft in Deutschland vollkommen, und weitere 23 Prozent überwiegend willkommen gefühlt. Zum Befragungszeitpunkt fühlten sich in dieser Kohorte noch 56 Prozent vollkommen, und 28 Prozent überwiegend willkommen.
Details
- Language :
- German
- Database :
- OpenAIRE
- Journal :
- PUB-Publications at Bielefeld University
- Accession number :
- edsair.dedup.wf.001..d100503af16c3bf1a68aea0dd7789852