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Wissenschaftsfreiheit und Wissenschaftsverantwortung

Authors :
Merkel, Reinhard
Publication Year :
2020
Publisher :
MyCoRe Community, 2020.

Abstract

Die Freiheit der Wissenschaft hat einen besonderen verfassungsrechtlichen Rang. In Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes keinem Vorbehalt eines einschränkenden Gesetzes unterworfen, kann ihr Schutzraum allenfalls durch solche anderen Güter begrenzt werden, die ihrerseits Verfassungsrang haben. Die rechtliche Garantie der Wissenschaftsfreiheit reicht daher außerordentlich weit. Aber was sind jenseits des positiven Verfassungsrechts die tieferen Gründe für diesen besonderen Status? Das ist die erste von drei prinzipiellen Fragen, denen der Vortrag nachgeht. Die zweite schließt sich plausibel an: Nach welchen normativen Kriterien lassen sich die Grenzen dieser Freiheit im Einzelfall bestimmen? Die Frage zielt nicht auf das selbstverständliche Verbot, Methoden der Forschung zur Verletzung von Grundrechten der von ihr Betroffenen zu missbrauchen. Vielmehr fragt sie nach den möglichen Grenzen legitimer Erkenntnis selbst: Gibt es so etwas wie verbotenes Wissen? Welche Prinzipien könnten solchen Verboten ein Fundament bieten? Die dritte Grundfrage schließlich führt den Bogen dieser Überlegungen zu seinem Ende: Wer ist verantwortlich für die Wahrung solcher Grenzen? Und wer, wenn sie überschritten werden? Der Vortrag schließt mit einer Mahnung an die Wissenschaften selbst, den ihnen garantierten Schutz gegen externe Bedrohungen nicht internen Maximen einer modisch moralisierenden, aber ethisch verfehlten Selbstzerstörung preiszugeben. Und daher mit einer Erinnerung an den normativen Sinn jeder Freiheit: Den Rechten gegen andere, die sie gewährt, korrespondieren stets auch Pflichten gegen sich selbst.<br />Scientific freedom enjoys special protection under our Constitution. Not subject to any formal constraint by Art. 5 para. 3 of the Grundgesetz, it may only be restricted for the benefit of other goods that are themselves specifically protected under the Constitution. Therefore, scientific freedom has an extraordinarily broad legal guarantee. However, what are the deeper grounds for this special status beyond its positive constitutional basis? This is the first of three fundamental questions explored by this talk. A plausible second question follows: Which normative criteria can be used to determine the limits to this freedom in individual cases? The question is not aimed at the self-evident notion of not allowing research methods to be used to violate the basic rights of others. Instead, it ponders the possible limits to scientific inquiry itself. Is there such a thing as forbidden knowledge? Which principles might provide a foundation for such prohibitions? Finally, the third principal question of this talk brings the arc of these considerations to a close: Who is responsible for maintaining these boundaries? And who is held accountable if they are violated? The talk concludes with a plea to the sciences themselves not to surrender their guaranteed protection against external threats to fashionably moralizing, but ethically misguided internal maxims of self-destruction, and hence with a reminder of the normative sense of any freedom: The rights it grants towards others always correspond to obligations towards oneself.<br />Zeit in Natur und Kultur: Vorträge anlässlich der Jahresversammlung am 20. und 21. September 2019 in Halle (Saale), p. 9

Details

Language :
German
Database :
OpenAIRE
Accession number :
edsair.doi...........11802155346f36722ca19e63a30dda19
Full Text :
https://doi.org/10.26164/leopoldina_10_00272