Hintergrund und Ziele Neben den motorischen Symptomen sind nicht-motorische Symptome (NMS) des idiopathischen Parkinson-Syndroms (IPS) in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus gerückt (Pont-Sunyer et al., 2015, Pfeiffer, 2016). Anhedonie, die Unfähigkeit Freude und Lust zu empfinden, ist ein häufiges NMS (46%) bei IPS Patienten (Lemke et al., 2005), welches auch unabhängig von einer Depression (Isella et al., 2003, Spalletta et al., 2013) auftreten kann. Wir konnten im Rahmen einer “proof-of-principle“ Studie zeigen, dass Patienten mit IPS ihnen präsentierte Gerüche weniger un-/angenehm beurteilten und somit eine Reduktion des affektiven Beurteilungsspektrums vorlag, selbst nachdem für Hyposmie kontrolliert wurde. Zudem zeigte sich eine Korrelation mit der durch validierte Fragebögen erfassten Anhedonie, jedoch nicht mit einer Depression (Mrochen et al., 2016). Da die unabhängige Erfassung von Anhedonie und Depression unter Berücksichtigung der Vorgaben des DSM-V (American-Psychiatric-Association, 2013) durch Überlappung mit somatischen Symptomen des IPS möglicherweise verfälscht wird, könnte eine akkurate, fragebögenunabhängige Erfassung der Anhedonie bei IPS Patienten einen Beitrag zu einer zielgerichteten Diagnostik und Therapie der NMS leisten. In dieser Studie soll, zusätzlich zur Evaluation olfaktorischer Stimuli, die affektive Wahrnehmung von akustischen und visuellen Reizen beim IPS untersucht werden. 3 Folgende Hypothesen werden überprüft: 1. Hypothese: Beim IPS liegt eine multisensorische Störung der affektiven Wahrnehmung vor. 2. Hypothese: Die affektive Evaluation sensorischer Stimuli korreliert mit psychometrischen Fragebögen der Anhedonie. 3. Hypothese: Ein eingeschränktes affektives Beurteilungsvermögen kann beim IPS unabhängig von depressiven Symptomen auftreten. Methoden Die Diagnose eines IPS erfolgte anhand der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) (DGN, 2016) in Anlehnung an die Kriterien der „UK Parkinson's Disease Society Brain Bank“ (Hughes et al., 1992) und der Movement Disorder Society (MDS) (Postuma et al., 2015). Alle Patienten wurden mit dem Teil III der Unified Parkinson´s Disease Rating Scale (UPDRS-III) (Goetz et al., 2008, Martinez-Martin et al., 2013) und der Hoehn und Yahr (H&Y)-Skala (Hoehn and Yahr, 1967, Goetz et al., 2004) bezüglich motorischer Symptome und Erkrankungsstadium beurteilt. Kontrollen wurden eingeschlossen, wenn kein Anhalt für Symptome eines prodromalen IPS bestand (Berg et al., 2015). Es erfolgte die Bestimmung von Hörschwelle, Nah- und Fernvisus. Der kognitive Status wurde durch das Montreal Cognitive Assessment (MoCA) (Nasreddine et al., 2005) erfasst. Mittels 16-er Sniffin Sticks® Identifikationstest (Sniffin ID) (Sniffin ID Test ©, Burghart Messtechnik, Deutschland) wurde eine Einordnung in hyposmisch bzw. normosmisch vorgenommen (Hummel et al., 2007). Beck Depression Inventory (BDI) (Aaron T. Beck 1988), Snaith-Hamilton-Pleasure-Scale D (SHAPS-D) (Franz et al., 1998), Temporal Experience of Pleasure Scale (TEPS) (Gard et al., 2006) und Starkstein Apathie Skala (SAS) (Starkstein et al., 1992b) wurden zur Erfassung depressiver Symptome (BDI), der Anhedonie (SHAPS und TEPS) und Apathie (SAS) herangezogen. Zur Erfassung der subjektiven affektiven Wahrnehmung wurden drei verschiedene Testserien mit jeweils 22 Stimuli durchlaufen. Die Bewertung bezüglich affektiver Valenz, d.h. Kategorisierung eines Stimulus als positiv bzw. negativ, erfolgte separat für jeden Reiz auf einer 9-stufigen Skala (-4 ≙ „äußerst unangenehm“ bis +4 ≙ „äußerst angenehm“). Wichtig war zudem das „Arousal“, welches es erlaubt, Stimuli bezüglich deren Ausmaß emotionaler Erregung in einem Spektrum von „entspannt“ bis „aufgeregt“ einzuordnen. Dies wurde bei visuellen und akustischen Stimuli auf einer 11- stufigen Skala (0 ≙ „ruhig/entspannt“ bis 10 ≙ „aufgeregt“) bewertet. Bei den Gerüchen wurde analog eine Einstufung der Geruchsintensität vorgenommen (0 ≙ „sehr schwach“ bis 10 ≙ „sehr stark“). Ergebnisse Nach Berücksichtigung der Ein- und Ausschlusskriterien gingen 62 Probanden (30 Patienten und 32 Kontrollen) in die aktuelle Arbeit ein. Demographische Parameter, wie Alter und Geschlecht zeigten keine Unterschiede zwischen den Gruppen. Hörschwelle, Nah- und Fernvisus, kognitive Funktion (MoCA) und Anhedonie (TEPS [CON/ANT]; SHAPS) und Apathie (SAS) unterschieden sich ebenfalls 4 nicht. IPS-Patienten zeigten erwartungsgemäß ein höheres Maß an depressiven Symptomen, sowie eine Hyposmie. 6 von 22 Bildern, 8 von 22 Tönen und 18 von 22 Gerüchen wurden bezüglich ihrer affektiven Valenz signifikant unterschiedlich bewertet. Insbesondere Stimuli am negativen und positiven Ende des abgebildeten affektiven Spektrums wurden signifikant weniger ausgeprägt bewertet. Als Folge ergaben sich signifikante Unterschiede für die absolute affektive Valenz der jeweiligen Sinnesmodalität. Die Resultate der anhedoniespezifischen Fragebögen (TEPS CON, TEPS ANT und SHAPS) korrelierten ausschließlich mit den absoluten Werten der visuellen affektiven Evaluation, während zwischen BDI und absoluten affektiven Werten keinerlei Korrelation vorlag. Schlussfolgerung Die erste Hypothese, dass bei IPS-Patienten ein multisensorisches Defizit bei der affektiven Wahrnehmung sensorischer Stimuli vorliegt, konnte angenommen werden. Die zweite Hypothese konnte nur für das visuelle System angenommen werden, die Ergebnisse der psychometrischen Fragebögen SHAPS und TEPS korrelierten lediglich mit dem absoluten visuellen Punktwert. Eine Korrelation mit der Evaluation olfaktorischer Stimuli (Mrochen et al., 2016) konnte nicht repliziert werden. Die affektive Bewertung akustischer Stimuli erreichte kein Signifikanzniveau, wenngleich mit größerer Gruppenstärke, insbesondere für TEPS und TEPS CON, signifikante Korrelationen zu vermuten sind. Mögliche Ursachen könnten die kleine Studienpopulation und die geringere Prävalenz einer durch SHAPS und TEPS erfassten Anhedonie im untersuchten Studienkollektiv sein. Eine unterschiedliche Bewertung der Stimuli war nicht durch eine höhere Prävalenz an depressiven Symptomen unter den der IPS-Patienten begründet. So bestanden weiterhin signifikante Unterschiede in der affektiven Evaluation nachdem für die Resultate des BDI kontrolliert wurde, so dass die dritte Hypothese angenommen werden konnte. Zukünftige Studien sollten überprüfen, ob 1) der Beginn einer dopaminergen Therapie, bspw. bei de novo IPS-Patienten, die affektive Wahrnehmung verändert, 2) die affektive Wahrnehmung mit motorischen Fluktuationen korreliert, 3) die eingeschränkte affektive Wahrnehmung in einer größeren Kohorte mit einer höheren Anzahl apathischer / anhedoner Patienten signifikant mit diesen Symptomen korreliert, 4) die in der aktuellen Studie untersuchten Probanden im Verlauf eine Apathie / Anhedonie entwickeln, welche mit den Resultaten in dieser Studie übereinstimmt und 5) funktionelle Bildgebung nutzen, um dysfunktionale neuroanatomische Korrelate der defizitären affektiven sensorischen Wahrnehmung zu identifizieren. Introduction: Currently, the diagnosis of Parkinson´s Disease (PD) is based on the presentation of the characteristic motor-symptoms, bradykinesia, rigidity, and tremor. Regarding the urgent need for an earlier diagnosis of PD, there has been a growing interest in non-motor symptoms (NMS), as some emerge several years before the onset of motor-symptoms. Furthermore, NMS have a considerable impact on quality of life that likely surpasses the influence attributable to motor-symptoms. Anhedonia, described as the inability to experience joy and lust, has a prevalence of up to 46% among PD patients. It is often associated with depression and apathy, but also occurs as a self-contained neuropsychiatric symptom. The diagnosis of anhedonia according to the DSM-V and validated questionnaires, like the Beck Depression Inventory (BDI) and Snaith-Hamilton-Pleasure Scale (SHAPS), pose problems in PD due to an overlap of motor-symptoms in PD with the somatic symptoms assessed by questionnaires for anhedonia and depression. Thus, diagnosis of anhedonia and depression without capturing somatic symptoms may deliver a more refined picture of neuropsychiatric deficits in PD. Previously, we compared the (an-)hedonic evaluation of odors between PD patients and healthy controls which revealed a significantly reduced affective olfactory perception in PD, even after controlling for hyposmia. This correlated to anhedonia as assessed by the SHAPS, but not to depressive symptoms assessed by the BDI. Building upon the previous study, the current work focused on the affective perception of different sensory modalities, their intercorrelation, and correlation to psychometric questionnaires for anhedonia, apathy, and depression in PD. Methods: PD patients were rated according the Unified Parkinson´s Disease Rating Scale III (UPDRS� III) and Hoehn and Yahr (H&Y) stage. SHAPS and Temporal Experience of Pleasure Scale (TEPS) were used for the assessment of anhedonia. Apathy and depression were examined by the Starkstein Apathy Scale (SAS) and BDI, while the Montreal Cognitive Assessment (MoCA) was conducted to assess cognitive impairment. Participants passed visual acuity, hearing threshold, and olfactory identification tests (Sniffin ID). Affective perception was assessed by three tests each compromising 22 pictures, sounds, and odors. Each stimulus was rated on a 9-point scale concerning its affective valence (from -4 to +4) and on an 11-point scale (0 to 10) regarding the level of arousal and odor intensity, respectively. Results: 30 PD patients with a mean H&Y stage of 2,3 and 32 healthy controls were included, demonstrating no differences in demographic parameters like age or gender. TEPS, SHAPS, SAS, MoCA, visual acuity, and hearing threshold were not altered between groups. As expected, participants differed in BDI and Sniffin ID scores, with a higher prevalence of depression and hyposmia among PD patients. Significant differences in affective evaluation of stimuli were observed in 6 out of 22 pictures, 8 out of 22 sounds and 18 out of 22 odors. Absolute affective scores differed significantly in all three sensory modalities in PD patients generally presenting lower absolute scores than controls and increasing levels of significance from visual to acoustic and especially olfactory stimuli. SHAPS and 2 TEPS scores showed significant correlations exclusively with absolute affective scores of visual items. BDI scores did not correlate with the absolute affective scores. Conclusions: This study identified reduced judgement of un-/pleasantness in three sensory modalities, suggesting a multisensory deficit in the affective perception of sensory stimuli in PD. The most significant differences were observed in the affective evaluation of odors, followed by acoustic und visual stimuli. These differences in affective evaluation were still observed after controlling for depression, confirming previous results of an impaired affective judgement among PD patients irrespective of concurrent depression. A singular correlation between visual hedonic perception and questionnaire-based assessment of anhedonia was observed. This may be explained by the low prevalence of anhedonia in the study population. While the hypothesis of a multisensory deficit in the affective perception of sensory stimuli in PD was met, a clear association to a neuropsychiatric symptom remains elusive. In addition, it still remains unknown which neural circuitries are involved. Thus, it is up to future studies to validate, whether the current results are able to improve the differential diagnosis of NMS and to determine a potential common functional deficit in the affective processing of sensory stimuli using functional imaging approaches.