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Das Projekt WEGE in die Grundschule (Wissen, Erwartungen und Gefuhle von Kindern im Elementarbereich im Ubergang in die Grundschule) befasst sich im Rahmen des Forschenden Lernens mit der Perspektive von Kindern im letzten Kita-Jahr und im ersten Schuljahr. Im vorliegenden Beitrag werden zunachst der theoretische Rahmen und Forschungsstand, in die sich das Projekt einbettet, vorgestellt und das Forschungsdesign erlautert. Im Fokus stehen quantitative Inhaltsanalysen von Kinderinterviews im Winter des letzten Kindergartenjahres.

Die Ergebnisse aktueller Studien verweisen auf eine grose Heterogenitat mathematischer Fahigkeiten von Kindern (u.a. Niklas/Schmiedeler/Schneider 2010). Zudem konnte die Bedeutsamkeit lernbereichsspezifischer Voraussetzungen fur die weitere mathematische Entwicklung herausgestellt werden (u.a. Krajewski/Schneider 2006). Kenntnisse uber den Verlauf und Kontextfaktoren der Entwicklung sind daher von Relevanz, um Kinder moglichst fruh fordern zu konnen. Vorliegende Befunde geben Hinweise darauf, dass Jungen im Verlauf der Grundschulzeit hohere Mathematikleistungen erzielen als Madchen (u.a. Krajewski/Kuspert/Schneider 2002). Allerdings leisten diese Unterschiede z.T. nur einen geringen Beitrag zur Varianzaufklarung (u.a. Bonsen/Lintorf/Bos 2008). Zudem konnte gezeigt werden, dass Kinder ohne Migrationshintergrund bezogen auf ihre mathematischen Fahigkeiten besser abschneiden als Kinder mit Migrationshintergrund (u.a. Niklas/Schmiedeler/Schneider 2010).

Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse der Schulqualitatsforschung werden neben einem lernforderlichen Unterrichtsklima, einer vielfaltigen Motivierung der Schulerinnen und Schuler, einer Wirkungs- und Kompetenzorientierung des Unterrichts, einer angemessenen Variation von Methoden und Sozialformen, der Auswahl von Aufgabenstellungen, welche intelligentes Uben und die Entwicklung von basic skills bzw. automatisierten Fertigkeiten ermoglichen, und einer Passung des Unterrichts insbesondere eine effiziente Klassenfuhrung, die Strukturiertheit und Klarheit des Unterrichts, die Forderung aktiven, selbststandigen Lernens und die individuelle Unterstutzung von Kindern als zentrale Merkmale von Unterrichtsqualitat angesehen (vgl. Helmke 2006, 44f.; Kammermeyer/Martschinke 2009, 37). Helmke weist darauf hin, dass Aussagen zur Unterrichtsqualitat abhangig vom Unterrichtsfach und vom Entwicklungsstand der Kinder weiter spezifiziert werden mussen (vgl. Helmke 2006, 44).

Die Entwicklung des Selbstkonzeptes von Kindern zahlt im Ubergangsprozess von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule zu den zentralen Entwicklungsaufgaben. So deuten u.a. Befunde der Resilienzforschung darauf hin, dass ein positives Selbstkonzept als bedeutsamer Schutzfaktoren fur eine erfolgreiche Bewaltigung des Ubergangs angesehen werden kann (Griebel/Niesel 2004). Die Forderung eines positiven Selbstkonzeptes gehort in diesem Sinne zu wichtigen Zielen der padagogischen Arbeit in Kindertageseinrichtung und Grundschule.

Vor dem Hintergrund verschiedener aktueller Schulleistungsstudien und weiterer empirischer Untersuchungen wird die Bedeutsamkeit einer fruhen Forderung von Kindern fur ihren spateren Bildungserfolg hervorgehoben. In diesem Kontext werden in den Bundeslandern vielfaltige strukturelle, curriculare und padagogisch-didaktische Reformen zur Neugestaltung der Schuleingangsphase umgesetzt. Einer erfolgreichen Bewaltigung des Ubergangs von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule wird hierbei ein hoher Stellenwert beigemessen.

Die Ergebnisse verschiedener aktueller Studien verweisen darauf, dass die Qualitat des Unterrichts besonders fur jungere Kinder und leistungsschwachere Schulerinnen und Schuler von Bedeutung ist (Forschungsuberblick: Lipowsky 2007). Als zentrale Merkmale eines „guten“ Unterrichts werden u.a. eine effiziente Klassenfuhrung, ein lernforderliches Unterrichtsklima, die Strukturiertheit und Klarheit des Unterrichts, eine angemessene Methodenvariation und eine Adaptivitat des Unterrichts hervorgehoben (Helmke 2003). Im KILIA1-Projekt wurde unter der Leitung von Martschinke und Kammermeyer speziell die Qualitat des Anfangsunterrichts naher in den Blick genommen. Auf der Grundlage der Analyse von Extremklassen haben sich die Eroffnung von Freiheitsspielraumen, Kooperationsmoglichkeiten und die Herausforderung von Eigenaktivitaten als besonders forderlich fur die Leistungs- und Personlichkeitsentwicklung von Kindern herausgestellt (Kammermeyer/Martschinke 2009, 51). Es besteht weiterhin Bedarf, grundschul- und fachdidaktische Merkmale des Anfangsunterrichts naher zu untersuchen (s. auch Lipowsky 2007, 47).

Heterogenitat im Ubergang in die Grundschule ist bislang masgeblich in Bezug auf den Anfangsunterricht ein Thema. Martschinke und Kammermeyer (2003) untersuchten im Rahmen des KILIA-Projektes (Kooperationsprojekt Identitats- und Leistungsentwicklung im Anfangsunterricht) leistungs- und personlichkeitsspezifische Lernvoraussetzungen von Kindern im Schriftspracherwerb im Zusammenhang mit Klassenkontextmerkmalen (Klassengrose, Kinder mit Schwierigkeiten, Elternunterstutzung, Unterrichtsmerkmale). Dabei zeigte sich nicht nur eine grose Heterogenitat in den leistungs- und personlichkeitsspezifischen Lernvoraussetzungen sowohl innerhalb einer Klasse als auch zwischen den Klassen zu Schulbeginn, sondern es wurden zugleich erhebliche Unterschiede in der Gestaltung des Anfangsunterrichts zwischen den Lehrerinnen deutlich. Uber kognitive, motivationale und selbstbezogene Voraussetzungen von Kindern zum Zeitpunkt der Schulanmeldung — ein knappes Jahr vor der Einschulung — sowie uber konkrete Bedingungen der Forderung in Kindertageseinrichtungen im letzten Kindergartenjahr (und davor) liegen bislang kaum Untersuchungsergebnisse vor. Dabei handelt es sich padagogisch betrachtet durchaus um ein hoch brisantes aktuelles Thema. Fruhe Forderung im Elementarbereich hat in den letzten Jahren im Kontext der Befunde der internationalen und nationalen Schulleistungsvergleichsstudien einen hohen Stellenwert erhalten. Dabei geht es nicht um eine Vorverlegung des Anfangsunterrichts, sondern um eine verbesserte Anregungsqualitat in Kindertageseinrichtungen.

Eine verstarkte Sensibilitat fur Bildungsqualitat auf Grund der Ergebnisse der nationalen und intemationalen Schulleistungsstudien zeigt sich derzeit im deutschen Bildungssystem. Forciert durch Erkenntnisse der Forschung in Bezug auf Bildung und Forderang von Bildungsprozessen (Schafer 1995; Laewen 2002) sowie der Forschung zur padagogischen Qualitat von Bildungsinstitutionen fur Kinder (Tietze 1998; Fthenakis/Textor 1998; Laewen/Andres 2002; Fthenakis 2003; Tietze 2004; Honig et al. 2004; Schafer 2005) lasst sich aktuell u.a. die Tendenz zu einer fruheren Forderang der Bildungsprozesse von Kindern erkennen. Manifestiert ist diese Tendenz in bildungspolitischen Entscheidungen bzw. in Reformen im Elementar- und Primarbereich wie beispielsweise in NRW in der Bildungsvereinbarung fur die Kindertageseinrichtungen, im Schulfahigkeitsprofil sowie im Konzept zur Neugestaltung der Schuleingangsphase. Diese Entwicklungen, die insbesondere auf den Ubergang vom Elementarbereich in den Primarbereich konzentriert sind, und die gleichzeitige Erkenntnis von Forschungsdesiderata hinsichtlich empirischer Studien zu Bildungsprozessen von Kindern in dieser biographisch relevanten Ubergangsphase (Faust et al. 2004) bilden den Problemkontext des im Arbeitsbereich Padagogik der Primarstufe an der Universitat Munster laufenden Forschungsprojekts „Fordern der Bildungsprozesse von Kindern in der Schuleingangsphase (FiS)“. Die in der Pilotstudie zu diesem Forschungsprojekt verankerte Untersuchung ist Teilstudie einer Qualifikationsarbeit, die eine mehrperspektivische Analyse padagogischer Qualitat in vorschulischen und schulischen Bildungsinstitutionen im Hinblick auf deren Bedeutung fur die Forderang der Bildungsprozesse von Kindern im Ubergang vom Elementar- in den Primarbereich anstrebt. Schwerpunktmasig konzentriert sich die primar qualitativ angelegte Studie auf die Untersuchung der padagogischen Prozessqualitat im Vorschulunterricht. Fokussiert wird auf die Interaktionen in der padagogisch-didaktischen Arbeit mit Vorschulkindern.

Fur die Neugestaltung der Schuleingangsphase steht im Bundesland Nordrhein-Westfalen nach dem Schulrechtsanderungsgesetz 2003 die Einfuhrung jahrgangsubergreifender Lerngruppen ab dem Schuljahr 2005/06 zur Disposition. In der Konzeptentwicklung zur flexiblen Schuleingangsphase stutzt sich NRW insbesondere auf die Ergebnisse von Schulversuchen in anderen Bundeslandern (z.B. Liebers 2001) und auf den landeseigenen Modellversuch „FiLiS“ (vgl. MSJK NW 2004). Die normativ-padagogische Gesamtargumentation fur die Einfuhrung jahrgangsubergreifender Lerngruppen erweist sich mit Blick auf den Bildungsauftrag der Grundschule — auch unter Ruckgriff auf reformpadagogische Konzepte und Erfahrungen — als plausibel.