1. Zusammenfassung Fumarat-Hydratase (FH)-Defizienz in uterinen Leiomyomen: Typische histomorphologische Merkmale im Vergleich zum Screening mittels Immunhistochemie (Teil-)Ergebnisse der vorliegenden Arbeit wurden veröffentlicht in: Siegler L, Erber R, Burghaus S, Brodkorb T, Wachter D, Wilkinson N, et al. Fumarate hydratase (FH) deficiency in uterine leiomyomas: recognition by histological features versus blind immunoscreening. Virchows Arch. 2018;472:789–96. doi:10.1007/s00428-018-2292-6 [1]. 1.1 Hintergrund und Ziele Für das Syndrom der hereditären Leiomyomatose und Nierenzellkarzinome (engl.: hereditary leiomyomatosis and renal cell carcinoma syndrome, Akronym: HLRCC) ursächlich ist eine Keimbahn-Mutation des Fumarat-Hydratase (FH)-Gens, welche bei einem Verlust der Heterozygotie (engl.: loss of heterocygocity, LOH) einen Funktionsverlust des FH-Enzyms bedingt. Es folgt eine veränderte Energiegewinnung der Zelle (Warburg Effekt), welche zur Entstehung von Tumoren prädisponiert [2–7]. Betroffene entwickeln kutane Piloleiomyome (engl.: cutaneous leiomyoma, CLM), uterine Leiomyome (engl.: uterine leiomyoma, ULM), selten Leiomyosarkome (engl.: uterine leiomyosarcoma, ULMS) und haben ein hohes Risiko, ein aggressives Nierenzellkarzinom (engl.: renal cell cancer, RCC) zu bekommen [1, 6, 8–13]. Diverse Arbeitsgruppen haben sich bereits mit dem HLRCC-Syndrom beschäftigt. Vor Beginn unserer Arbeit gab es aber nur wenige Publikationen, welche die charakteristische Histologie FH-defizienter ULM beschrieben oder hinsichtlich ihrer diagnostischen Wertigkeit untersucht hatten. Bezüglich der Verlässlichkeit und Spezifität morphologischer Kriterien, besonders in Bezug auf die häufig auftretenden ULM, herrschte Uneinigkeit. Unser Ziel war es, diesen Aspekt durch eine detaillierte Auswertung der histomorphologischen Eigenschaften FH-defizienter ULM näher zu beleuchten. Die Immunhistochemie (IHC), primär die FH-IHC dient als weiteres diagnostisches Mittel, die Häufigkeit FH-defizienter ULM in der Routinediagnostik wurde bisher aber nur in wenigen Publikationen erfasst. Diese Frequenz analysierten wir anhand einer Reihenuntersuchung an unserem Institut [1]. 1.2 Methoden Um unsere Fragestellungen beantworten zu können, erstellten wir zwei Kollektive. Unser prospektives Kollektiv zur Erfassung der histomorphologischen Merkmale FH-defizienter Leiomyome umfasste 22 FH-defiziente ULM, welche über einen Zeitraum von acht Jahren, teils aus der Routinediagnostik des Pathologischen Instituts des Universitätsklinikums Erlangen (UKER), teils aus Konsil-Fällen, gesammelt worden waren. Alle Präparate waren primär aufgrund ihrer charakteristischen Histologie aufgefallen und daraufhin mittels IHC auf FH-Verlust untersucht worden. Die originalen Schnitte in Hämatoxylin-Eosin-Färbung (H&E) wurden erneut auf histopathologische Merkmale und spezifische, morphologische Kriterien überprüft [1]. In das zweite, retrospektive Kollektiv zur Untersuchung der Häufigkeit des Auftretens FH-defizienter ULM in der täglichen Routinediagnostik schlossen wir alle Patientinnen ein, bei denen im Jahr 2009 in der Routinediagnostik ein oder mehrere ULM diagnostiziert worden waren. Wir untersuchten retrospektiv 580 ULM von 484 Patientinnen mittels sogenannter Tissue-Microarrays (TMA) auf FH-Verlust. Die immunhistochemischen Färbungen erfolgten an Schnitten von Formalin-fixierten, in Paraffin eingebetteten (engl.: formalin-fixed, paraffin-embedded, FFPE) Tumorblöcken [1]. 1.3 Ergebnisse und Beobachtungen Alle 22 prospektiv gesammelten Fälle waren initial auf H&E-Schnitten in der Routinediagnostik festgestellt worden und zeigten in der IHC einen vollständigen Verlust von FH. Die Mehrheit der Patientinnen wies multiple Knoten unterschiedlicher Größe auf. Alle Tumoren präsentierten gleichartige, reproduzierbare, histomorphologische Merkmale, welche jedoch zwischen verschiedenen, aber auch innerhalb desselben Präparates stark variierten [1]. Von den 580 separat eingebetteten ULM unseres retrospektives Screening-Kollektiv konnten wir 534 TMA-Stanzen mittels FH-IHC auswerten. Davon wiederum zeigten zwei Tumoren zweier verschiedener Patientinnen einen vollständigen FH-Verlust (0,4 %), den wir durch nachträgliches Anfärben der entsprechenden Schnitte bestätigen konnten. Beide Patientinnen gehörten auch zu den 22 histologisch identifizierten und durch IHC bestätigten Fällen des prospektiven Kollektivs. Folglich wurden also durch das verblindete immunhistochemische Screening der TMA-Schnitte keine neuen Fälle FH-defizienter ULM identifiziert [1]. 1.4 Diskussion und Schlussfolgerung In der Diagnostik des HLRCC-Syndroms spielt die Identifikation auffälliger, konventionell-histologischer Merkmale durch die Analyse H&E-gefärbter Schnitte eine tragende Rolle, insbesondere bezogen auf ULM. Charakteristische Merkmale FH-defizienter ULM sind zum Teil aufgelockerte, verstreut liegende, vergrößerte und bizarre Kerne oder Kerne mit eosinophilen Nukleoli und diese umgebende, perinukleoläre, ringartige Aufhellungen (sog. Halos [1, 14]), wie zuvor auch schon als charakteristisch für FH-defiziente RCC beschrieben [15, 16]. Weitere Indizien sind eine erhöhte Zelldichte, eosinophiles, fibrilläres Zytoplasma mit z.T. Neuropil-ähnlichem Material, hyaline, kugelförmige Partikel und eine prominente Hämangioperizytom-artige Gefäßarchitektur [1]. Aufgrund der Zuverlässigkeit des Vorhandenseins dieser auffälligen, histomorphologischen Merkmale FH-defizienter ULM kann schon bei alleinigem Vorliegen dieser charakteristischen Kriterien in der Routinediagnostik eine FH-Defizienz angenommen oder zumindest ein immunhistochemisches Screening indiziert werden [1, 17, 18]. Die Feststellung, dass alle Fälle unseres prospektiven Kollektivs initial aufgrund ihrer auffälligen konventionell-histologischen Merkmale für eine FH-IHC ausgewählt worden waren, betont die Bedeutung der hinweisgebenden Morphologie in H&E-gefärbten Schnitten zur Erkennung und Subtypisierung von Neoplasien. Die Wachsamkeit und das Bewusstsein für die unverwechselbare Histologie FH-defizienter ULM können helfen, weitere potenzielle HLRCC-Risikopatientinnen früh zu identifizieren und dadurch ihre Prognose zu verbessern [1]. Nach Veröffentlichung unserer Publikation im Jahr 2018 wurden fast alle von uns beschriebenen Merkmale als histomorphologische Diagnosekriterien in die WHO-Klassifikation FH-defizienter ULM übernommen, was die Relevanz unserer Erkenntnisse unterstreicht [19]. Das immunhistochemische Screening spielt eine weitere Hauptrolle in der Diagnostik HLRCC-assoziierter ULM. Die FH-IHC ist bereits international weit verbreitet und ein exzellenter Bestätigungsmarker. Eine intakte FH-IHC schließt das Vorliegen des HLRCC-Syndroms jedoch nicht mit Sicherheit aus und sollte folglich nicht als alleinige Entscheidungsgrundlage dienen [17, 20]. Aktuellere Studien kommen zu dem Schluss, die FH-IHC könne aufgrund ihres Mangels an Sensitivität und der variablen Anfärbbarkeit von ULM derselben Patientin keinen zusätzlichen diagnostischen Beitrag leisten, und zumindest für junge Patientinnen mit ULM, die eine charakteristische FH-defiziente Histomorphologie aufweisen, solle auch bei erhaltener FH-IHC eine genetische Beratung und Testung erwogen werden [17]. Besonders in Fällen mit uneindeutigem FH-IHC-Ergebnis stellt die 2SC-Immunfärbung einen weiteren, hilfreichen Marker in der Diagnostik des HLRCC-Syndroms dar [1, 21]. Der Verlust der FH-Expression in ULM kommt insgesamt selten vor, unter unselektierten ULM sind nur 0,4 – 1,0 % FH-IHC-negativ [1, 20, 22]. Da der FH-Immunphänotyp nur einen defizitären IHC-Status widerspiegelt, unabhängig von der Art des zugrundeliegenden Gendefekts, sind Tumoren als Folge einer Keimbahnmutation auf diesem Weg nicht von sporadischen Fällen zu unterscheiden. Diese Tatsache erschwert die Identifikation HLRCC-assoziierter ULM. Die Annahme, dass die große Mehrheit FH-defizienter ULM die Konsequenz sporadischer FH-Mutationen ohne Relation zum HLRCC-Syndrom sind, spiegelt die Seltenheit des Syndroms wider [1, 20, 23]. Gerade deswegen ist die Identifikation FH-defizienter ULM und die Investigation ihres Zusammenhanges mit dem HLRCC-Syndrom so wichtig. Aktuell gibt es keinen Konsens über eine Strategie zur Erkennung der Subgruppe von Patientinnen mit ULM, die eine FH-Keimbahnmutation tragen. Nur durch enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Gynäkologie (Klinik, Anamnese), Pathologie (Histomorphologie, IHC) und Humangenetik (Tumor- und Vergleichsgewebe) kann eine fortlaufende Identifikation betroffener Patientinnen und die Einführung von Regimes zur Vorsorgeuntersuchung, Empfehlungen zur genetischen Testung, Therapie-Standards und Nachsorge-Empfehlungen gelingen und so die Prognose betroffener Patientinnen verbessert werden [1]. Eine Etablierung spezifischer Leitlinien ist daher gefordert [1]. Abstract from: Siegler L, Erber R, Burghaus S, Brodkorb T, Wachter D, Wilkinson N, et al. Fumarate hydratase (FH) deficiency in uterine leiomyomas: recognition by histological features versus blind immunoscreening. Virchows Arch. 2018;472:789–96. doi:10.1007/s00428-018-2292-6 [1]. Abstract Hereditary leiomyomatosis and renal cell carcinoma (HLRCC) syndrome is a rare autosomal dominant disease caused by germline mutations in the fumarate hydratase (FH) gene. Affected individuals develop cutaneous and uterine leiomyomas and aggressive RCC. To date, only few publications described the frequency and morphology of FH-deficient uterine leiomyomas. We reviewed 22 cases collected over 8 years from routine and consultation files based on distinctive histological features. In addition, we screened 580 consecutive uterine leiomyomas from 484 patients, 23 extra-uterine and 8 uterine leiomyosarcomas, and 6 leiomyomas with bizarre nuclei for FH loss using immunohistochemistry (IHC) on tissue microarrays (TMAs). All 22 FH-deficient cases were suspected on H&E sections and confirmed by FH IHC. Patients’ ages ranged from 25 to 70 years (median 36). Seventeen patients had multiple nodules (2–14) measuring up to 11.8 cm. None of the patients had stigmata or family history of the HLRCC syndrome. Histologically, all FH-deficient tumors showed consistent and reproducible features as reported previously. FH loss was detected in 2/534 evaluable leiomyomas (0.4%), but in none of leiomyosarcomas. Two of six leiomyomas with bizarre nuclei were FH-deficient. FH-deficient uterine leiomyomas are rare in routine material (= 0.4%). They can be reliably identified or suspected by consistent morphological features. Our data showed predictive morphology to be superior to blind IHC screening for detecting them. The relationship of FH-deficient uterine smooth muscle tumors to the HLRCC syndrome needs further clarification.